Achtung!
Dies ist der dritte Roman der Bill-Hodges-Trilogie. Im ersten Band Mr Mercedes lernen wir den Serienkiller Brady Hartsfield kennen und hassen. Der zweite Band Finderlohn hingegen konzentriert sich auf eine Geschichte abseits des Geschehens. Dieser dritte Band führt uns nun direkt zurück zu Brady sowie Bill Hodges und seinen Freunden.  Dieser Artikel könnte deshalb eventuell Spoiler enthalten.

Willkommen zurück.

Willkommen zurück in der Welt des suizidfanatischen und überaus gefährlichen Serienmörders Brady Hartsfield. Und der Welt von Bill Hodges, einem alternden Ex-Cop, der zusammen mit seiner Freundin Holly eine Privatdetektei führt.
Wir erinnern uns:
In Mr Mercedes trieb der sogenannte Mercedes-Killer sein Unwesen. Erst fuhr er mit einem gestohlenen Wagen in eine Menschenmenge, dann versuchte er sich bei einem Konzert in die Luft zu sprengen. Dies misslang nur, weil Holly in ihrer Wut und ihrem Engagement sich den Totschläger von Bill griff und ihn dem Mörder über den Schädel zog.
Seitdem ist Brady das, was man in „Fachkreisen“ eine Matschbirne nennt. Im Kiner Memorial Hospital ist er lebenslang ans Bett gefesselt und kann sich nur mit Mühe bewegen oder artikulieren. Er wird nie vor Gericht gestellt werden können. Glaubt man.

Denn Brady hatte wieder einmal unglaubliches Glück. Sein behandelnder Arzt sah in diesem zerstörten Menschen eine Möglichkeit nicht autorisierte medizinische Experimente an lebenden Objekten durchführen zu können. Mag der Serienmörder nach außen hin körperlich krank erscheinen, so hat sich doch sein Gehirn vollständig rehabilitiert. Und nicht nur das. Brady besitzt eine Reihe neuer übernatürlicher Kräfte, die er sich nicht scheut, auch für seine Zwecke einzusetzen. Er plant im Verborgenen seine Rache und so dauert es eine ganze Weile bis Bill Hodges ihm auf die Schliche kommt.

Das Übernatürliche dringt plötzlich in die normale Welt ein.

Etwas, mit dem King Zeit seines Lebens spielt und was immer wieder das zentrale Thema seiner Geschichten ist. Waren die ersten beiden Bände stark an die Realität angepasst und konnte man sich sicher sein, dass das was passieren wird, irgendwie menschlich oder zumindest realistisch sein wird, so muss man hier umdenken. Ob das wirklich gut zu dem Ton der Trilogie passt, muss jeder für sich entscheiden. War ich am Ende des zweiten Bandes noch zuversichtlich, hat es mich beim tatsächlichen Lesen doch sehr gestört.
Doch King liefert eine durchaus glaubhafte Erklärung für das Erwachen Bradys neuer Kräfte. Das steigert die Akzeptanz beim Leser.

Mithilfe dieser Kräfte wirkt Brady im Vergleich zum ersten Buch wesentlich überlegender. Er steigt hier zum personifizierten Bösen auf, hat scheinbar unbegrenzte Macht und ihn aufzuhalten ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aus dem Krankenbett heraus lenkt er andere wie Marionetten, entwickelt einen perfiden Plan und beginnt diesen auch in die Wirklichkeit umzusetzen.

Dabei begegnen uns altbekannte Charaktere. Bill Hodges ist um einiges älter geworden, doch auch um einige Stereotype reicher.
Er ist und bleibt ein klischeehaftes Abziehbild:
Bill kann den Serienmörder einfach nicht los lassen. Seine Gedanken kreisen oft um ihn, die gemeinsame Vergangenheit und das Band, das die beiden verbindet allgegenwärtig. Nicht nur, dass er damit zu kämpfen hat, ein alternder Ex-Cop zu sein, zusätzlich wird ihm eine Diagnose gestellt, die ihm das Ende seines Lebens in erreichbare Nähe rückt. Natürlich. Das wird dem Leser immer wieder vor Augen gehalten und das Ende des Buches könnte kitschiger kaum sein.

Hingegen legt King größeren Wert auf die Ausarbeitung von Hollys Charakter, was ihr als Person sehr gut tut. Sie wirkt weniger seltsam als in den Teilen zuvor, aber trotzdem bleibt sie weiterhin die sympathischste Figur. Jerome hingegen tritt sehr in den Hintergrund (bitte nicht noch einen „Ich-bin-Schwarz-und-das-ist-mein-Ghetto-Slang“ Spruch). Für alle die ihn mögen, bekommt er auch ein paar passende Szenen.

Freddie – What the fuck?

Einige Stellen im Buch sind zu bequem. Unmögliche Zufälle (die sich nicht durch Übernatürliches erklären) spielen oft den Protagonisten in die Hände. Da wird ein Mädchen wie zufällig im richtigen Augenblick abgelenkt oder eine Kugel trifft drei hintereinander platzierte Gegenstände. Dass diese Figuren für den späteren Handlungsverlauf wichtig sind, muss an dieser Stelle wohl kaum erwähnt werden. Besonders letztgenanntes Beispiel war eine Ausgeburt von Konstruktionen, die fast nicht zu ertragen war.

Man muss es sich noch einmal vor Augen führen:
Wir haben es hier mit einem übersinnlichen Phänomen zu tun. Dass wir als King-Leser solche gewohnt sind: okay. Dass die Charaktere aber, kaum haben sie von Bradys neuen Fähigkeiten erfahren, diese ohne weiteres Zögern akzeptieren, erscheint doch in Hinblick auf die sonstige Realitätsstruktur sehr unglaubwürdig.

In der gesamten Trilogie wirkt nun FINDERLOHN wie ein Spin-Off, da kaum Verknüpfungen vorhanden sind. Lediglich bekannte Charaktere aus dem Vorband sind in den zweiten Teil eingewoben worden.
Die Reihe hätte auch genau so gut als Zweiteiler funktioniert.

Nichtsdestotrotz schreibt King mitreißend. Seine Sätze sind wie ein Sog, der den Leser einfängt und ihn immer weiter lesen lässt. Es ist im Prinzip egal, was für eine Geschichte King uns erzählt, er hat einfach das Talent sie uns durch seinen Stil gut zu verkaufen. Daran lässt sich nicht rütteln.


3.5/5