Mai 1980:
Gwangju ist eine kleine Stadt in Südkorea. Dort demonstrieren in diesem Jahr ein paar Studenten gegen die vorherrschende Militärdiktatur. Der beginnende Aufstand wird gewaltsam niedergeschlagen. Die meisten Studenten getötet und die Stadt in Angst und Schrecken versetzt.
Han Kang verarbeitet in ihrem Buch das Trauma eines Volkes. Sie selbst hat als Kind in Gwangju gelebt, zog dann aber mit ihren Eltern fort. Ihre Geschichte spinnt sie rund um den Jungen Dong-Ho. Mit einem Freund besuchte er eine öffentliche Demonstration. Als das Militär eingreift, werden die Freunde getrennt. Dong-Ho muss mit ansehen, wie sein Freund und die Umstehenden durch die Kugeln der Soldaten niedergemäht werden. Fortan – auch in der Hoffnung seinen Freund und dessen Schwester zu finden – hilft er in dem Gebäude aus, in dem die Leichen gesäubert und aufgebahrt werden. Als das Regierungsgebäude durch Studenten besetzt wird, findet sich der Junge mitten unter ihnen. Und er ist auch da, als Soldaten das Gebäude stürmen und beginnen, auf alle zu schießen.
Das Trauma eines Landes
Dong-Ho ist hier weniger der Mittelpunkt des Geschehens, vielmehr ist er das, was man als roten Faden bezeichnen kann. Nur im ersten Kapitel erleben wir die Geschichte aus seiner Perspektive. Die anderen Kapitel widmen sich anderen Personen, aber immer gibt es irgendwo eine Verbindung zu ihm. Da gibt es zum Beispiel seinen Freund, dessen Seele sich nach dem gewaltsamen Tod an seinen Körper klammert. Oder die junge Frau, aus der Informationen herausgeprügelt werden sollen, die aber standhaft bleibt.
Mit den verschiedenen Figuren strickt Kang ein Gesamtwerk. Immer klarer wird uns die Situation. Die Grausamkeit und Willkür der Soldaten stellt sie dabei in den Vordergrund. Deutlich ist die Angst des Einzelnen immer wieder spürbar. Durch ihre Sprache bringt sie auch den Leser immer wieder an seine Grenzen, stellt alles so klar und deutlich heraus, dass das Gefühl immer beklemmender wirkt.
Wer die Vegetariern gelesen hat, weiß, wie bedrückend die Autorin schreiben kann. Besonders bei der Darstellung von Gewalt, die dann dem Leser sehr nahe geht.
Es ist ein großes Thema, mit dem sie sich hier beschäftigt, zu dem sie auch einen gewissen persönlichen Bezug hat. Diesen greift sie auch noch einmal im letzten Kapitel ihres Buches auf. Auch wenn die Personen in diesem Buch – auch die Hauptfigur Dong-Ho – fiktiv sind, zeigt sie uns den Schrecken eines wahren Ereignisses auf. Ein lesenswertes Buch, dass uns Europäer zwingt, sich auch einmal mit der Geschichte eines für uns fremden Landes auseinander zu setzen.