Yong-Hye ist das, was man eine durchschnittliche Frau nennt. Sie ist weder besonders hässlich, noch besonders schön. Weder besonders klug, noch besonders dumm. Sie kann nichts besonders gut, noch etwas besonders schlecht. Und genau deshalb hat ihr Mann sie ausgesucht. Er sah keinen Grund sie nicht zu heiraten.

Doch in der Nacht hat die Frau einen Traum. Verstört und zutiefst in sich gekehrt tut sie ihrem Mann die Nachricht kund: Sie isst fortan kein Fleisch mehr. Das stellt nicht nur ihr eigenes Leben, sondern das Leben all derer, die sie umgeben, komplett auf den Kopf.

Erster Teil

In dem dem Leser aus der Sicht des Ehemannes die Veränderung an seiner Frau geschildert wird. Er weiß sich keinen Rat, hat er doch immer die Durchschnittlichkeit an seiner Frau geschätzt. Nun scheint sie eine ganz andere zu sein. Er sucht Rat bei ihrer Familie, was zur Eskalation führt.

Wir erleben hier, dass eine Selbstbestimmung der Protagonistin kaum möglich ist. Die Interessen ihres Ehemannes sind allein auf sich selbst und seinem Ansehen nach außen gerichtet. Sie soll für ihn funktionieren. Und zwar so, wie er es sich vorstellt. Sie darf nicht abweichen von dem, was er in ihr sieht. Aus dieser Rolle bricht sie durch ihren Entschluss heraus. Doch das Verständnis seitens des Partners und auch der Familie bleibt aus. Sie darf nicht tun, was gesellschaftlich (Hier in dieser Geschichte ist der Vegetarismus noch etwas Neues und wird von Umstehenden eher skeptisch und mit einer gewissen Belustigung aufgenommen. Eine Akzeptanz hat in der Gesellschaft hier noch stattgefunden.) nicht anerkannt ist. Sie soll die Yong-Hye von früher sein.

So ist es wenig verwunderlich, dass die Protagonistin hier trotz der Gegenwehr, die sie erhält, an ihrer Überzeugung festhält und dennoch mit dem Druck nicht umgehen kann. Sie ist auf sich allein gestellt, hat niemanden an ihrer Seite und ist somit völlig verloren.

Zweiter Teil

Eher der stille Zuschauer, der er ist, hat der Schwager der Vegetarierin einen Narren an ihr gefressen. Er ist Künstler und je länger er über seine Schwägerin nachdenkt, desto mehr setzt sie sich in seinen Gedanken fest. Es manifestiert sich nicht nur ein klares Bild der Person, sondern auch ein Bild von Körpern und Pflanzen und einer Vereinigung.

Doch so sehr es auch den Anschein hat, er könnte eine Stütze für Yong-Hye werden, so sehr verfolgt er doch nur wieder seine eigenen Interessen.

Für mich bildet der zweite Teil die Stärke des Buches. Der Künstler hat eine Vision. Wir haben erlebt, durch was für eine Hölle die Protagonistin gegangen ist und nun verschmelzen ihre Vorstellungen von der Art zu Leben mit der Kunst ihres Schwagers.

Dritter Teil

Die Schwester. Auch sie funktioniert so, wie sie es gelehrt wurde. Doch am Ende wird klar, dass sie eigentlich im Herzen sich den Weg nur nicht zu trauen wagt, den ihre Schwester gegangen ist.
Die Dialoge zwischen den Schwestern funktionieren gut und geben noch einmal zusammenfassend den Sinn der Erzählung wieder.
Die Schwester an sich jedoch bleibt unsympathisch. So wird der Leser vom Lebensweg dieser Frau nicht weiter berührt.

So findet die Geschichte in ihrer Gesamtheit betrachtet durch den letzten Teil nicht das Ende, das es hätte sein können. Literarisch betrachtet. Denn die Bilder, die die Autorin hier beschreibt und auch die Figuren sind um so vieles schwächer als in den beiden Teilen davor.

Vielleicht scheint es nur ein Gefühl, aber beim Lesen asiatischer Literatur, die insbesondere die Beziehungen zwischen Menschen und die Struktur von Familien beschreibt, haftet der Erzählung doch eine Andersartigkeit an. Zum größten Teil liegt das an der Interaktion der Menschen miteinander. Dies ist anders, als man es auf diesem Kontinent vielleicht gewohnt ist. Historisch betrachtet wird in der gesamten Erzählung auch nicht klar, ob wir uns in der Gegenwart oder in der neuzeitlichen Vergangenheit befinden.

Die Autorin schreibt mit einer gewissen Ruhe, aber die Kraft der Worte ist in jedem Satz spürbar.
So bleibt mir besonders der erste Teil wegen seines Ekels und der zweite Teil aufgrund der Magie der Erzählung am meisten in Erinnerung.


3.5/5