Neue Skandale braucht das Land

Mikael Blomkvist investigative Zeit ist vorbei. Seit der Zalatschenko-Affäre hat er keinen großen Coup mehr gehabt. Gerade als eine Übernahme des Millenium-Verlags durch ein großes Medienunternehmen droht, stößt Mikael jedoch auf einen interessanten Fall. Der KI-Forscher Frans Balder, der sich vor kurzem von der Welt zurückgezogen hat, wird in seiner Stockholmer Wohnung erschossen, kurz bevor er Blomkvist wichtige Informationen mitteilen konnte. Der einzige Zeuge des Mordes: Der autistische Sohn des Opfers August, der kein Wort spricht. Doch bald stellt sich heraus, dass er ein Savant ist, ein Kind mit Inselbegabung, die sich bei August dadurch zeigt, dass er gesehene Bilder realitätsgetreu nachzeichnen kann. Mikael nimmt sich des Falles an und landet in der Schusslinie zwischen der NSA, der schwedischen Geheimpolizei und einem neuen Verbrechersyndikat. Ein Glück erhält er bald darauf Hilfe von seiner alten Gefährtin Lisbeth Salander.

Große Fußstapfen

Die Millenium Trilogie. Die schwedische Buchreihe des 2004 verstorbenen Autors Stieg Larsson, die erst posthum veröffentlicht wurde, hat hohe Wellen geschlagen. Drei schwedische Filme (vom selben Regisseur, der auch ‚Der dunkle Turm‘ verantwortet hat) und eine amerikanische Verfilmung waren die Folge. Larsson wurde so nach seinem Tod noch zum Star. Ein Nachfolgeroman wurde von seiner Frau Eva Gabrielsson strikt untersagt, die jedoch leider nie offiziell die Buchrechte bekam, obwohl es Larssons ausdrücklicher Wunsch war. Deshalb hat sich der Verlag nach einem Nachfolger umgeschaut und die Wahl fiel auf David Lagercrantz. Ein Kriminalreporter, der sich einen Ruf gemacht hat, als er als Ghostwriter die Autobiografie des schwedischen Fußballstars Zlatan Ibrahimović geschrieben hat. Nun muss er sich mit einem angesehen Autoren messen, der in Schweden Starniveau besitzt und stieß dabei auf heftigen Gegenwind, aber war dieser auch berechtigt?

Die Bewahrung des Alten

Blomkvist und Salander wurden drei Romane lang geprägt. Der Leser hat ein gewisses Bild von ihnen und das sollte man besser nicht zerstören. Glücklicherweise behält Lagercrantz diese Charakteristiken bei. Die Figuren sind den Vorgängern getreu, man fühlt sich gleich heimisch bei ihnen. Vielleicht könnte man sagen, dass sie stagnieren und trotz einer Zeitspanne zwischen der Trilogie und ‚Verschwörung‘ keine Entwicklung durchgemacht haben, aber das kann man verzeihen. Was sich geändert hat, ist der Fokus von den sozialen Missständen in Schweden, die Larsson beleuchtet hat, hin zu einem globalen Thriller. Vom ganzen Setting habe ich mich stark an Sebastian Fitzek erinnert gefühlt, der ebenfalls gerne Komplotte auf globaler Ebene schmiedet. Dadurch wirkt die Handlung und das Setting weniger frisch, da es vielleicht zur Zeit der Veröffentlichung noch nicht breitgetreten war, in der heutigen Zeit jedoch definitiv ist.  Trotzdem wirkt es soweit solide.

Detailversessenheit

Interessant sind die Einschläge in das Thema Autismus und Savants, da man so ein paar Hintergrundinformationen zu Menschen mit dieser Krankheit und dieser Begabung erhält. Weniger spannend ist der Einstieg in die technischen Details, die hinter den ganzen Hackingversuchen steckt. Der Autor ist an dieser Stelle zu detailversessen. Er kann durch sein Studium zwar die RSA- und Diffie-Hellman-Verschlüsselung runterbeten, aber steigt ebenfalls bei elliptischen Kurven aus und an dieser Stelle werden wohl auch die meisten Leser auf Durchzug stellen.

Eine holprige Angelegenheit

Eine große Schwäche ist der Schreibstil. Der Autor schafft es, auf einer Seite den Namen einer handelnden Person gefühlt zwanzig mal einzubauen. Und zwar immer Vor- und Zuname. So werden die Namen gut eingeprägt, doch der Verlust an geistiger Gesundheit in Kauf genommen. Insgesamt stellt sich leider kein guter Lesefluss ein und man zwingt sich auch gerne, einen Abschnitt zu lesen, anstatt ihn zu überspringen. Da haben Fitzek und Larsson klar die Nase vorn und der Leser das Nachsehen. Durch Gewöhnung wird es am Ende weniger schlimm, vor allem wenn die Handlung der Action weicht, aber bis dahin werden Hand und Stirn in Mitleidenschaft gezogen.

Keine Liebe, keinen Hass, eher was dazwischen

Nun, einen richtigen Larsson hat David Lagercrantz da nicht abgeliefert. Eher einen soliden Thriller mit Mängeln beim Lesefluss und er bekommt den Blomkvist and Salander-Bonus, deren Charaktere einfach herausstechen. Auch wenn es nicht an die Trilogie rankommt, muss man sich nicht die Köpfe einschlagen. Der Autor hat sein Bestes gegeben und keinen totalen Mist abgeliefert. Wer unbedingt neues Futter braucht, der greift zu. Wer allgemein mit Thrillern wenig anfangen kann oder seinen Larsson-Schrein jeden Tag pflegt, der lässt die Finger davon. Um es mit seinen Worten abzuschließen:“Es ist nur ein Buch“.

 


2.5/5