Verbranntes Amerika

Die Welt wurde von einer Seuche befallen. Menschen bekommen seltsame Muster auf ihren Körpern, die sich wie Tatoo-Ranken immer weiter ausprägen. Aufgrund ihrer gold-rötlichen Farbe bekommt die Krankheit den Namen ‚Dragonscale‘. Sie endet immer mit dem Tod, bei dem der Betroffene bei lebendigem Leibe in Flammen aufgeht. Harper ist Krankenschwester und hat sich mit ihrem Partner geschworen, Selbstmord zu begehen, wenn sie jemals infiziert werden sollte. Als es dann doch soweit ist, hat sich ihre Meinung geändert, denn sie ist schwanger. Nur ihr gesunder Freund ist da anderer Meinung und versucht sie kurz darauf umzubringen. Sie flieht und wird von einem Unbekannten in Feuerwehruniform gerettet, indem er Feuer aus seiner Hand entstehen lässt und so den Verfolger vertreibt. Der Retter, John, bringt Harper in eine Enklave von Dragonscale-Infizierten, die sich vor der Außenwelt verstecken, denn die Jagd auf die Kranken hat in Amerika längst begonnen. Doch nicht nur von außen droht Gefahr, denn in der abgeschotteten Gemeinde macht sich eine ungesunde Religion breit…

Wie der Vater so der Sohn

Joe Hill tritt in die Fußstapfen seines Vaters. Natürlich hat er das mit seinen vorherigen Horror-Fantasy-Roman bereits mehrfach getan, doch hier bekommt der Leser einen klar identifizierbaren King. Eine Seuche: Check. Eine abgeschottete Gemeinde: Check. Religiöser Fanatismus: Check. Ein taubstummer Junge: Check.
Böse Zungen können nun behaupten, hier habe der Sohn vom Vater alles dreist geklaut, aber das wäre unfair. Hill hat einen starken Hang zu Fantasy. Das Übernatürliche erinnert meist mehr an Neil Gaiman, ist farbenfroher als das dreckige Übernatürliche von King. Auch Hills Optimismus ist ein Kontrast zum Pessimismus des Vaters. Dadurch ist eine Geschichte entstanden, die trotzdem für sich steht und nicht im Schatten des Vorbildes wandert. Apropos Vorbild: Der Namensvertreter des Titels stammt aus Ray Bradburys Fahrenheit 451, einem dystopischen Roman, in dem die Fireman Feuer legen, anstatt sie zu löschen.

Starke Heldin…

Die Protagonistin Harper ist eine klassisch weibliche Protagonistin, wie Hill sie auch schon in Christmasland verwendet hat: innerlich stark, selbständig, mit einer Stärke und einer Schwäche. Ihre Stärke ist die Kontrolle mit Dragonscale und ihre natürliche Hilfsbereitschaft, die ihr einige Freunde einbringt. Ihre Schwäche ist die Schwangerschaft, die immer mehr zum Problem wird, desto weiter man in diesem fast tausendseitigen Roman voranschreitet. Dabei erleidet sie oft Niederlagen, dann wieder einen kleinen Sieg, dann wieder eine Niederlage. Das Schema ist klar, erinnert an Serien wie Breaking Bad und The Walking Dead. Vielleicht hat man davon einfach zu viel konsumiert, denn das Muster nutzt sich mit der Zeit ab und das Buch hätte in der Mitte gerne kürzer sein können. Auch die Gegenspieler sind ein wenig zu blass geraten und nicht sonderlich interessant, da karikaturhaft.

…Okayer Held

Fireman John wird als tragischer Held dargestellt. Er kann mit seinem Dragonscale Feuer erschaffen. Meterhohe Illusionen, die Menschen verbrennen. Seine Freundin ist gestorben, augenscheinlich an Dragonscale und er kümmert sich um deren beiden Kinder, eines davon ein taubstummer, aber cleverer Junge. Daneben ist er aber auch ein ziemliches Großmaul und gegenüber Harper auch ein kleiner Casanova, was gleichsam unterhalten, als auch mit der Zeit nervig wird. So werden aufgebaute Sympathien immer wieder mal etwas abgeschwächt, was immerhin für eine gewisse Dramatik beim Lesen sorgt. Hinter dem Tod seiner alten Flamme steckt einiges mehr, wie dem Leser schnell klar wird und auch die Lösung offenbart sich ihm schneller, so dass zum Zeitpunkt der Enthüllung bereits ein wenig die Luft raus ist.

Wie war das im Mittelteil?

Die Geschichte ist grob in drei Teile untergliedert: die Infektion, das Leben in der Enklave und die Reise danach. Teil eins und drei sind dabei schnell und trieben die Story voran. Beim Mittelteil ha(r)pert es ein wenig (BaDummTss). Denn hier finden immer wieder die gleichen Abläufe statt, die kaum neue Impulse geben. Trotzdem kann im Endeffekt gesagt werden, das Hills erster Endzeitroman sich durchaus zeigen lassen kann. Auch ein The Stand ist nun wirklich kein Page Turner und da hat sich schon der Anfang als zäh gestaltet. Die Magie des Autors, Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen, wirkt auch hier wieder und man fühlt sich direkt hineinversetzt. Man fühlt mit Harper und was ihr passiert, sieht man vor dem inneren Auge. Wer sich ein wenig Zeit und Geduld für den Mittelteil nimmt, erlebt eine gelungene Geschichte über Verzweiflung, Fanatismus und Hoffnung.


3.5/5