Gibt man bei Google den Suchbegriff  „Thomas Ligotti“ ein, erscheint als eine der ersten Bildvorschläge ein altes Foto von H.P. Lovecraft. Das ist natürlich kein Zufall, denn schon beim Lesen der ersten paar Zeilen wird man schnell an die Erzählungen des alten Meisters erinnert. Meist in der Ich-Perspektive geschriebene Fragmente aus Briefen, Manuskripten, Tagebucheinträgen von Protagonisten, die durchweg das Grauen erlebt haben und dies nun für die Nachwelt festhalten. Immer kurz und immer grauenvoll sind diese einzelnen Erzählungen, ohne dabei jemals blutig, gewaltsam oder vulgär zu werden. In diesem Kurzgeschichtenband begegnet man Geschichten, wie sie auch von H.P. Lovecraft selbst oder Edgar Allan Poe erzählt hätten werden können. Nicht umsonst zählt Thomas Ligotti diese zu den Autoren, die ihn am meisten beeinflusst haben.
Was man zum Lesen allerdings braucht, ist Zeit, Geduld und Konzentration. Die Sätze sind lang und oftmals voller Beschreibungen. Schnell hat man den Faden verloren und hängt mehr seinen eigenen Gedanken nach, als dem Text zu folgen. Eine Geschichte geht in die andere über. Obwohl die Protagonisten wechseln, schreiben sie doch (fast) alle in der Ich-Form, so dass die Gefahr besteht, dass alles eine große graue Masse ohne Unterschiede wird.

1. Das letzte Fest des Harlekins
Clowns üben seit jeher eine ganz eigene Macht aus. Die einen sind von ihnen fasziniert, die anderen zittern vor Angst. Auch der Protagonist hat eine eigene Obsession entwickelt. Neugierig gemacht durch den Artikel seines ehemaligen Dozenten, fährt er kurz vor Weihnachten in die Stadt, in der ein besonderes Fest stattfinden soll. Die Stadt ist gespalten, so merkt er bald: auf der einen Seite die gemiedenen, auf der anderen Seite die, die versuchen, so gut es geht, die Existenz der anderen zu leugnen.
Eine Hommage an H.P. Lovecraft. Das merkt man schon beim Lesen, weil es einen ähnlichen Stil aufweist. Der Ich-Erzähler führt uns prosaisch durch die Erzählung und gipfelt nur langsam im absoluten Horror.

2. Die Brille im Geheimfach
Plomb ist ein Bewunderer des Reisenden. Nach jeder noch so langen Reise besucht er ihn auf seinem Anwesen und ist begierig darauf, die neuesten Schätze zu bewundern. Dem Reisenden jedoch erscheint Plomb mehr als eine Art Last und so versucht er ihn mit einem Trick die Bewunderung zu nehmen. Alles was er erreicht, ist jedoch das Gegenteil. Wenn nicht sogar die Steigerung bis in den Wahnsinn hinein.

3. Blumen des Abgrunds
Ein Haus mit einem dunklen Geheimnis und sein einsamer Bewohner werden eines Tages von einem Einheimischen besucht. Dieser ist von den restlichen Bewohner gesandt worden, um hinter das Geheimnis zu schauen. Doch wie verhängnisvoll der Verlauf der Geschichte werden soll, konnte niemand ahnen.

4. Nethescurial
Der Fund eines Manuskripts, dass der Leser zunächst für reine Fiktion hält, zieht ihn in einen ungeahnten Bann und lässt ihn Kräfte erkennen, die böser und dunkler nicht sein könnten.

5. Träume in Nortown
„Manche Menschen brauchen Zeugen für ihren Untergang.“ So auch der Mitbewohner des Protagonisten, der zwar undeutlich und uneindeutig von seinen nächtlichen Eskapaden spricht, doch eine Begleitung ablehnt. Dem Protagonisten bleibt nichts anderes übrig, als Quinn des Nachts zu folgen.

6. Die Mystiker von Mülenburg
Eine Geschichte, in der der Protagonist einer fantastischen Erzählung eines anderen Mannes lauscht.

7. Im Schatten einer anderen Welt
Große und alte Herrenhäuser haben von Natur aus ihren eigenen Reiz. Doch mit diesem Haus stimmt etwas nicht. In den Fenstern finden sich seltsame Zeichen und die Aussicht im Turm ist mit Karten versperrt, die wiederum gekennzeichnet sind. Entfernt man diese Karte jedoch, ändert sich die Atmosphäre und man taucht ein in eine andere Welt.

8.Die Kokons
Ein Arzt. Ein Patient. Und ein erschreckendes Experiment.

9. Die Abendschule
Er ist zurückgekehrt! Trotz einer schweren und lang anhaltenden Krankheit unterrichtet der alte Lehrer in seiner Schule wieder. Und diese Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer.

10. Der Zauber
Ein Kino in einer verlassenen Straße und ein Film mit dem Namen DER ZAUBER. Doch ein Lichtspiel gibt es in dem Kino nicht zu sehen.

11. Die Bibliothek von Byzanz
Eine Erzählung über die Konsequenzen, wenn ein Buch nicht ordnungsgemäß zurückgegeben wird.

12. Miss Plarr
Die neue Haushälterin sieht man zwar selten, doch verursacht sie eine Reihe von seltsamen Geräuschen, die den jungen Protagonisten in Erstaunen versetzen.

13. Die Schatten am Grunde der Welt
Eine mysteriöse Vogelscheuche versetzt die Dorfbewohner in Angst und Schrecken. Sie besteht aus einer gänzlich unbekannten Substanz, die nun auch an den Händen der Menschen klebt.

 

Wer Kurzgeschichten mag, es beim Horror nicht blutig und brutal haben muss und seine Freude an den großen Meistern des Genres hat, der wird mit diesem Buch viel Spaß haben.


3.5/5