In einer Gruppe von fünf Freunden fühlte sich Tsukuru Tazaki schon immer als einer der farblosesten unter ihnen. Jeder seiner Freunde hatte in seinem Namen und durch seinen Charakter etwas Farbenfohes, ja etwas Lebendiges. Tsukuru selbst fand weder sich noch seinen Charakter als besonders erzählenswert. Er lebt für seine Freunde bis zu dem Tag, als sie ihn fast wortlos und ohne Grund aus ihrer Gemeinschaft stoßen.
Tsukuru bewegt sich ein halbes Jahr am Grunde des Selbstmords bis er wieder zu sich findet. Doch sein Leben bleibt in seinen Augen farblos und inhaltsleer. Er lebt in den Tag hinein. Woche für Woche. Die Jahre schwinden nur so dahin. Als er eines Tages Sara kennen lernt, stellt diese ihn vor die Wahl: Wenn er eine Beziehung mit ihr möchte, muss er herausfinden, was damals geschah… Und so zieht Tsukuru los, um sich dem zu stellen, was er die Jahre über verdrängt hat.
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki ist ein beeindruckender Roman. Soviel schon mal vorweg.
Beschrieben wird das Leben von Tsukuru Tazaki, der ein ziemlich einsames Dasein in Tokio fristet. Durch den Ausstoß aus der Gemeinschaft der fünf Freunde verfängt sich der Protagonist in Selbstzweifel und Erniedrigung. Erst die schöne Sara gibt ihm den Anstoß, seine Vergangenheit nach 16 Jahren zu bewältigen.
Haruki Murakami schafft es hier, durch eine strukturierte Erzählweise und den Aufbau der Geschichte, soviel Spannung zu erzeugen, wie es mancher Thriller nicht vermag. Der Leser ist gefesselt von der Handlung. Wir fahren mit Tsukuru zunächst nach Nagoya und dann weiter nach Finnland. Wir sind immer an seiner Seite. Und mittendrin in seinen Gedanken.
Für einen Europäer ist es teilweise schwierig, Handlungen und Reaktionen eines japanischen Protagonisten nachzuvollziehen. Dennoch bringt uns Murakami den Menschen so nah, dass wir mit ihm hoffen.
Tsukuru erleidet in seinem Leben einen großen Schnitt. Er hat in dieser Freundschaft alles gefunden, was er sich im Leben gewünscht hat und die Harmonie dieser Gruppe hat ihn beruhigt. Doch plötzlich ist nichts mehr so, wie es einmal war. Die fünf Freunde hatten Angst vor einem Bruch. Sie müssen sich jedoch der Wahrheit stellen: Jeder Mensch wird erwachsen und die Dinge ändern sich. Man entwickelt sich weiter und lernt neue Menschen kennen. Doch dieser Bruch war zuviel für Tsukuru. Manch einer findet sich selbst in diesem Buch wieder. Oftmals sind uns die Gründe der Handlungsweisen von Menschen nicht klar. Oftmals wird nicht weiter darüber geredet. Sein ganzes Leben schleppt man ein Laster mit sich herum und bringt es nie einer Lösung näher. Lieber ergeht man sich in stillem Leiden oder dem Gram. Man wünscht sich, dass irgendwann Gras über die Sache wachsen wird. Aber im Grunde seines Herzens muss man sich auch am Ende eines Lebens eingestehen, dass manche Wunden nie verheilen.
All das macht dieser Roman mit einem. Man fühlt sich Tsukuru so nah. Man will ihn in seiner Einsamkeit trösten, ihm irgendwie helfen. Man erkennt sich einfach selbst in ihm und fragt sich unwillkürlich, welch eigene Wunden man noch mit sich herumschleppt.
Dass dies ein großartiger Roman ist, ist wohl an dieser Stelle überflüssig zu erwähnen.