Da steht er auf der Bühne.
Ein kleiner hagerer Mann mit grauem Haar und einem eben so grauen T-Shirt. Eigentlich ganz unscheinbar.
Er könnte ein alter Mann von der Straße sein, dem man das lange Sitzen am Schreibtisch ansieht, so krumm ist sein Rücken.
Aber er ist eben mehr als nur die Summe seiner Erscheinung.
Er ist Stephen King.
Kaum betritt er den Saal, beginnt ein Jubeln und ein Schreien. Der Saal tobt und kaum jemanden hält es auf seinem Sitz. King selbst ist ganz überwältigt. Später gibt er zu, sich wie ein Model oder ein Superstar zu fühlen, so viel positive Resonanz wird ihm entgegen gebracht. Und er posiert noch einmal für die Kamera.
Die Aufregung will sich kaum legen. King spielt mit dem Publikum, er entpuppt sich als der geborene Entertainer. Auch dem Moderator Ingo Zamperoni entgeht dies nicht. Zamperoni leitete durch den Abend und versuchte den Spagat zwischen einem englischsprachigem und einem deutschsprachigem Publikum so gut wie möglich hinzubekommen.
Doch einer Übersetzung bedurfte es fast gar nicht. Sofort fing Stephen King alle Sympathien des Publikums allein durch seine lockere und witzige Art ein.
Zu jeder Zeit war der Meister zu Scherzen aufgelegt und bewies bei Fragen auch immer eine humoristische Schlagfertigkeit.
Dann gab er selbst einen Leseprobe aus seinem aktuellen Buch „Doctor Sleep“. Allerdings auf englisch, denn er sagte selbst: „Wenn ein Amerikaner versucht deutsch zu sprechen ist das so, als würde ein Weißer versuchen, Spaß zu haben.“
Zamponi bemerkte danach, dass man während der Lesung eine Stecknadel hätte fallen hören können und das in einem so prall gefülltem Saal.
Doch auch für den deutschprachigen Text gab es eine Überraschung. David Nathan, die Synchronstimme von Johnny Depp und Christian Bale, las live. Nathan selbst spricht aktuell die Hörbücher zu Kings Geschichten.
Seine Stimme wirkte durchdringend und ging direkt unter die Haut.
Die Szene, die er las, war eine der Schlüsselszenen aus Doctor Sleep, in der Dan Torrance, der Protagonist, an seinem Tiefpunkt als Alkoholiker angelangt war. So kam das Thema auf Kings Alkoholikervergangenheit.
Er selbst gab zu, dass er zum Zeitpunkt, als er SHINING schrieb, nichts von den Anonymen Alkoholikern wusste und deshalb die Figur in dem Roman sich auch so nicht helfen konnte.
Doch sein Leben ging weiter und mittlerweile sieht er die AA als eine große Stütze. Das findet sich auch in Doctor Sleep wieder.
Gegen Ende wurden dann drei Zuschauer per Zufallsprinzip ausgewählt, die eine persönliche Frage an den Meister stellen konnten.
King war so menschlich, wie er nur hätte sein können. Anspielungen auf Reichtum und Wohlstand einhergehend mit Abgehobenheit wischte er mit einem verschmitzen Lächeln wieder weg.
King ist Zeit seines Lebens auf dem Boden geblieben und weiß den Wert seiner Fans zu schätzen.
Er möchte einfach nur Geschichten schreiben und sie uns erzählen.
Den King of Horror einmal persönlich zu sehen, in einem Raum mit ihm zu sein und ihn so zu erleben, war ein Riesenerlebnis, das vielleicht nur einmal im Leben kommt. Stephen King war so sympatisch und witzig, dass das „Fan-Sein“ mehr als bestätigt wurde.