Die Letzten, das sind:

Die letzte Bastion der Übriggebliebenen. Der eisernen Fast-Vergessenen. Die letzten Reste der Gesellschaft, die noch auf dem Kehrblech zusammengefegt und entsorgt werden müssen. Namentlich: Karl Kramer, Elisabeth Buttkies und Jersey aka Marina Weber.

Sie sind das, was man weitläufig traurige Gestalten nennen kann. Sie sind die Letzten in einem fast leer gewohnten Mietshaus, besetzen die Wohnung im Erdgeschoss, zweiter Stock Mitte und die Wohnung unterm Dachgeschoss. Ignorieren jeder für sich und doch gemeinschaftlich die regelmäßig im Briefkasten liegenden Kündigungsschreiben. Wer soll das überhaupt sein, Thomas Grube, der Schnösel in seinem schönen Haus, der ihnen ihren Lebensraum wegnehmen will? Man könnte jetzt gemeinsam eine Lösung finden, doch sie haben ein großes Problem: Sie hassen sich alle gegenseitig.

Kramer, ein Mann in seinen Fünfzigern, hat weder Job noch Frau und was bringt das überhaupt noch, sich zu bewerben. Ihn nimmt ja doch niemand mehr. Und die Erika, die hat doch jetzt den Antonio, der sowieso viel besser aussieht und mehr kann als er. Dann doch lieber seine Tage auf dem Heimtrainer verbringen, vielleicht bringt es ja was. Und natürlich in der Blauen Perle, da ist wenigstens alles wie immer, da ändert sich nichts. Da sind die Jungs und das Bier und das schon seit immer.

Die Buttkies hat es ebenso wenig leicht in ihrem Leben. Als der Walter noch lebte, ja das war noch schön, auch wenn es jetzt nicht so schlecht ist. Schließlich ist ihr Balkon der Schönste, hat sogar eine Zeitung über sie geschrieben. Wenn es ihr nicht so gut geht, setzt sie eine Taubenmaske auf. Das kommt in letzter Zeit öfter vor, denn der Krebs ist gekommen, um sie zu holen.

Und von Jersey wollen wir gar nicht erst anfangen. Seit Ewigkeiten Studentin und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Sie hat auch einen Freund, der ihr Lieder singt und mit dem sie im IKEA übernachtet. Und einen Kater namens Major Tom. Wer nennt denn bitte seine Katze so? Und damit fängt das Drama eigentlich an. Oder ist es die gute Wendung des Romans, der Punkt als sich alle besinnen und beginnen zusammen zu halten? In das Drama verwickelt sind Major Tom, eine Perücke und ein gebrochener Arm. Und so allein sind die Letzten auch gar nicht, da gibt es noch jemand Vierten, der sie mit seinen Mitteln versucht zu beschützen.

Traurig, aber wahr

Madeleine Prahs schreibt hier einen irgendwie gesellschaftskritischen Roman. Es geht um Existenzen. Ein abgehängtes Milieu, das ein Gesicht bekommt. Eigentlich drei Gesichter. Die Gegend, in der die Letzten leben war schon immer für Leute wie sie erschwinglich gewesen. Hier hatten sie einen Ort zu leben. Bevor die ganzen Hipster hierher zogen und die Gegend zu einem trendigen Ort machen mussten. Jetzt sind sie gezwungen, aus ihren Wohnungen auszuziehen, damit das Gebäude komplett renoviert und zu höheren Preisen verkauft werden kann. Klarer Fall von gelebten Kapitalismus. Die Letzten müssen sich selbst helfen. Und solange sie es nicht zusammen tun, scheint der Kampf aussichtslos.

Es ist interessant zu verfolgen, wie die Figuren erst noch für sich, später jedoch immer öfter miteinander agieren und aufeinander reagieren. Prahs lässt hier eine eigene Art von Humor einfließen, der oft bissig oder sarkastisch ist. Manchmal ist er ein wenig zu überspitzt und ausgereizt, gerade wenn die vierte Partei zu Wort kommt, die alles mit einem allwissenden Blick betrachtet, weil sie die Geschichte aus der Retrospektive erzählt. Insgesamt umgibt die Geschichte ein Mantel der Niedergeschlagenheit. Die Stimmung ist meistens gedrückt, weil auch das Leben der Protagonisten sowohl jetzt als auch in der Vergangenheit eher grau als bunt war. Durch den Humor kommt es zu vereinzelten Auflockerungen, die dem Buch sehr gut tun. So muss man gerade zum Ende hin an der einen oder anderen Stelle schmunzeln. Ich sag nur Lipgloss.

Die Letzten von Madeleine Prahs ist ein kurzweiliger Roman, den irgendwie ein grauer Schleier umgibt. Man kommt nicht so ganz raus aus dieser Stimmung, auch wenn die Figuren am Ende fast so etwas wie eine Kameradschaft aufgebaut haben. Trotz des Dilemmas, das sie Leben nennen.


3.5/5