Nur 14-jährige Mädchen wissen, wie es ist, ein 14-jähriges Mädchen zu sein. Nämlich einfach schrecklich.

Zumindest empfindet das unserer Protagonistin Evie so. Ihre Eltern sind geschieden. Ihr Vater ist mit seiner neuen Freundin, die das Mädchen eigentlich ganz cool findet und dann doch wieder irgendwie nicht, an einen anderen Ort gezogen und ihre Mutter sucht verzweifelt nach einer neuen Liebe. Dabei vergisst sie aber ihre Tochter. Und da gibt es noch ihre beste Freundin und deren faszinierender Bruder, doch aus irgendeinem Grund eskaliert die Geschichte bald, wie nur Teenagergeschichten eskalieren können. Die Freundin spricht nicht mehr mit Evie, der Bruder läuft mit seiner eigenen Freundin davon und Evie ist auf dieser Welt ganz allein. Sie hasst sich und alle anderen.
Selten sind die Gefühle eines 14-jährigen Teenagers so gut eingefangen worden, so dass auch der Leser sie nachvollziehen kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich selbst einmal dieser Teenager war und sehr viel Parallelen zwischen mir und diesem fiktiven Charakter bestehen.

Man fühlt sich allein und unverstanden. Auf der einen Seite will man allein sein, auf der anderen Seite bettelt man um positive Aufmerksamkeit. Für die Anerkennung bestimmter Menschen ist man bereit, fast alles zu tun. Denn man selbst ist unsicher, weiß nicht, wie man reagieren soll. Ist es richtig, was ich gesagt oder was ich getan habe? Wie kommt es bei den anderen an? Und habt ihr nicht diesen abwertenden Blick gesehen, damit kann nur ich gemeint sein. Und das schlimmste: man hasst sich selbst dafür. Man hasst die eigene Abhängigkeit von den Meinungen anderer und doch kann man beim nächsten Mal doch wieder nichts dagegen tun. Wie es ist 14 zu sein? Gelinde gesagt: Beschissen.

Die Mädchen

Bis Evie eines Tages ein paar Mädchen dabei beobachtet, wie sie in einer Gasse einen Abfallcontainer durchwühlen. Diese Mädchen scheinen keine Scham zu kennen. Besonders fällt ihr ein dunkelhaariges Mädchen auf, dass eine besondere Faszination bei ihr auslöst. Wie sich später heraus stellt, handelt es sich dabei um Suzanne und in ihrem Blick für die kleine Evie liegt weder Abscheu noch Abwertung. Das ist es, was Evie sofort an ihr liebt. Die beiden lernen sich besser kennen. Die anderen Mädchen wollen Evie den Ort zeigen, wo sie wohnen und obwohl Suzanne sich zunächst sträubt, lässt sie es nach einer Weile zu. Ab da beginnt sich in Evies Leben alles zu ändern.

Sie kommt auf die Ranch, auf der viele Menschen – vor allem aber Frauen – leben. Sie leben dort in einfachsten Verhältnissen, scheinen aber durchaus glücklich. Was sie vereint ist ihre Liebe zu Russell, den Evie erst später, dafür aber intensiv kennen lernen wird. Russell ist ihr Anführer. Er weiß, was am besten für die Gruppe ist. Er lenkt und leitet sie in ihrem Leben und dafür bekommen sie all seine Liebe. Das Russell nichts weiter ist als ein charismatischer Sektenanführer, der leichtgläubige und leicht zu beeinflussende Menschen um sich scharrt, ist dem Leser bereits von Anfang an klar. Zu sensibilisiert ist die moderne Gesellschaft ob dieser Phänomenen. Doch der Roman siedelt sich im Jahr 1969 an.

Die Manson-Familiy

Dies ist natürlich kein Zufall und wer sich im Vorfeld schon mit dem Buch beschäftigt hat, weiß, dass dies eine Erzählung angelehnt an die Manson Familiy ist. Charles Manson, der in genau diesem Jahr und natürlich bereits davor, vor allem Mädchen und Frauen um sich scharrte, ihnen einen Lebensstil aufzwang und sie letztendlich zum Töten verleitete. Die mediale Aufmerksamkeit war sehr hoch, denn die Gefahr war damals vielen gar nicht bewusst, wie auch rückblickend die erwachsen gewordene Protagonistin anmerkt. Und so ist dieser Roman ein Spiegelbild der damaligen Ereignisse.

Erzählt wird das Ganze nicht von dem 14-jährigen Mädchen, sondern von der erwachsen gewordenen Evie, der die eigene Vergangenheit noch immer nachhängt. Sie kann nicht los lassen. Besonders an Suzanne denkt sie oft. Ich hatte für diese Frau, diese erwachsene Evie in ihrem Sommerhaus, wenig Verständnis, zumal sie oft widersprüchlich zu ihrem Denken handelte. In einer Szene – in der ein anderes junges Mädchen von zwei Männern bedrängt wird – greift sie nicht ein, sondern schaut halbherzig zu. Sie selbst wurde zu solchen Dingen genötigt und ist noch Jahre später nicht in der Lage, ein anderes Mädchen zu beschützen, obwohl sie in der Position dazu gewesen wäre. Der Strang, in dem wir den Teenager begleiten ist darum um ein Vielfaches mehr gelungen, als der eigentliche Handlungsrahmen. Aber was mir vor allem bleibt, ist die oben erwähnte Darstellung eines 14-jährigen Lebens, wie es – für mich – nicht besser hätte dargestellt werden können.


4/5