Vom Aufstehen bis zur Fahrt

05:30 Uhr: Der Wecker klingelt… nicht. Ich muss das nächste Mal daran denken, ihn auch für das Wochenende zu aktivieren. Doch glücklicherweise bin ich noch voll trainiert, um 6 Uhr aufzuwachen. Durch ein großzügig gesetzten Puffer schaffe ich es gerade so, mit circa fünf Minuten duschen und anziehen und Tasche packen, zum Zug.

Erstmal muss ich meine gute Tat am Tag erfüllen (voll lästig dieses nett sein) und helfe einer Frau, ihre Koffer in den ICE zu tragen. Dank der DB-Wagenreihungslotterie konnte ich erstmal durch drei Waggons zu meinem Platz, dem ich dann auch erstmal zurückerobern musste (mit der Kraft der Sitzplatzreservierung). Durch meinen Beruf bin ich schon einige Züge gewohnt, jedoch ist der mit Holz ausgelegt ICE ohne Komfortfunktionen wie Strom, verstellbaren Sitzen oder Platz ein wirklich interessanter Anblick. Nun ja, von Berlin aus ist es ja nicht so weit, das geht schon. So nehme ich mir also mein iPad und blättere durch meine GameStar, während ich Musik höre bis ich in Leipzig ankomme.

„I am the man with the plan to shake the hand of John L. Sullivan
Fighter till the end, Legend he will be
And if any man should ask, if any man could carry
I am the man with the plan to shake the hand of John L. Sullivan“
– Flogging Molly: The hand of John L. Sullivan

The rocky road to LBM

Leipzig: Endlich da, ging ja doch recht fix. Meine vorteilige Position am Waggonende sichert mir einen schnellen einfachen Ausstieg. Doch es bringt nichts. Durch eine Verspätung verpasse ich die geplante S-Bahn und muss mich konservendosenartig zur Leipziger Messe kutschieren lassen. Nach dem wir wie ausgeschüttetes Brackwasser auf dem Bahnsteig stehen, begibt sich nach kurzer Orientierungsphase die Masse zum Messegelände. Der Weg ist nicht lang, doch für ein Lied wird es schon reichen. Und so gehe ich los. Die Glasshalle am Horizont.

„She played the fiddle in an Irish band
But she fell in love with an English man
Kissed her on the neck and then I took her by the hands,
Baby I just wanna dance“
– Ed Sheeran: Galway Girl

Waffenkontrolle ist für Babies und Kommunisten

Taschenkontrolle: Das ist neu, das kenne ich noch nicht. Letztes Jahr war ich nicht auf der Messe, deshalb gibt es einige Neuerungen, die ich bestimmt alle nicht mögen werde. Veränderung ist halt doof, oder um den Doktor zu zitieren: „Oh you’ve redecorated. I don’t like it“. Auf die Frage, ob ich spitze Gegenstände, Tränengas oder andere gefährliche Gegenstände mit mir führe, halte ich innerlich kurz inne. Ist das eine rhetorische Frage? Erwartet er eine Antwort? Oder ein psychologischer Trick? Mittels überraschender Fragen den Verdächtigen überrumpeln, der sich verplappert und dann zugibt, dass er zwei Samuraischwerter mit sich führt. Den Zeitdruck spürend, antworte ich mit einem lahmen „Nein“. Er scheint mir zu glauben, da sein Interesse schon längst der nächsten Person gilt. Hm.

Nun ja, ich begebe mich nun schnurstracks zum Eingang der Glasshalle. Aus meiner viel zu vollen Tasche fummel ich das Onlineticket raus und scanne es beim Drehkreuz ein. Spannung. Kribbeln. Endlich geht es los! … Naja… in ca. einer Stunde. Ich bin doch schon früh da. Alle Hallen sind noch geschlossen. Also wandere ich einfach die Glasshalle ab. Einmal. Zweimal. Dreimal. Danach habe ich aufgehört zu zählen. Und mir einen Platz zu sitzen gesucht, auf dem ich gemütlich die Eröffnung abwarte.

„I hope they understand
I’m not angry, I’m just saying
Sometimes goodbye is a second chance“
– Shinedown: Second Chance

Erstmal Quests sammeln

Halle 2

Dong~ Dong~ Dong~: Laut schallend wird die Eröffnung der Hallen verkündet. Und der Zustrom an den Glassgängen beginnt. Also erstmal wieder warten, bis er leicht abklingt. Mein Plan: Keine Ahnung. Den leg ich mir dann zurecht. Also auf in die Halle 2. Eine gute Wahl nachblickend betrachtet, denn sie ist für mich unglaublich langweilig. Schulbuch-, Kinder- und Fantasyverlage bestimmen den Großteil der Halle. Pflichtbewusst gehe ich trotzdem so gut wie möglich die einzelnen Stände ab. Wie erwartet war nichts Interessantes für mich dabei und wie erwartet habe ich mich komplett ineffizient bewegt. Wenn jemand eine Taktik hat durch eine Halle zu gehen, ohne fünfmal einen Gang abzulaufen und dafür andere zu vergessen, dann gerne her damit.

Halle 4

Nun, also schnell abgefrühstückt komme ich nun durch einen Übergang zur Halle 4. Hier haben wir doch einiges. DTV, Fischer und rowohlt sind wahrscheinlich die interessantesten Verlage für mich. Am Fischer-Stand fällt mein Blick auf die Klassik-Reihe, bei denen wichtige Autoren der Vergangenheit als Taschenbuch neu aufgelegt wurden. Als Science-Fiction-Fan fährt meine Hand direkt zu Philip K. Dick –  Total Recall Revisited. Mit Geschichten wie das titelgebende Total Recall und Minority Report ist es für mich sehr interessant und wird vorgemerkt (Das bedeutet: Ich mache ein Foto, damit ich garantiert alle wichtigen Informationen habe). Die anderen Klassiker fixen mich nicht genug an. Italo Calvino reizt mich schon, doch war Wenn ein Reisender in einer Winternacht so toll, dass ich Angst habe, von anderen Büchern enttäuscht zu werden. Auch in der Halle sind die länderspezifischen Stände, die alle nebeneinander lagen und ihre Literatur vorstellen. Nur interessante Bücher waren leider nicht dabei. Beim Berlinverlag habe ich dann noch ein neues Margaret-Atwood-Buch entdeckt. Angefixt vom Klappentext wanderte es auch gleich in meine Foto-Merkliste.

Intermezzo: Glasshalle

Okay, meine Schritte führen mich zum zweiten Abschnitt der Glasshalle. Hier ist der Andrang mittlerweile recht groß. Hier wuseln Cosplayer und Menschen mit Kinderwagen herum (einmal sogar ein Zwilligskinderwagen. Ist ja noch nicht eng genug mit den Menschen), Fotografen, Security und viele Menschen mit Presseausweis. Ich habe übrigens keinen. Schweinerei. Naja. Okay ich hätte bestimmt einen bekommen, wenn ich mich darum bemüht hätte. Vielleicht nächstes Jahr. Fun Fact: Ich habe die ganze Zeit immer mit meinem Handy recherchiert und gechattet. Ich war positiv überrascht, wie gut die Verbindung ist und wie schnell Internetseiten laden. Dann fiel mir das WLAN-Symbol auf meinem Handy auf. Da hat es Klick gemacht. Ich war vor einigen Wochen beruflich bei der Leipziger Messe vor Ort und habe für meinen Mac Internet benötigt. Daraufhin wurde mir ein WLAN-Passwort gegeben und offensichtlich hat sich mein iPhone das gemerkt. So eine Cloud ist schon toll. Macht auch die ganze Messeerfahrung viel angenehmer. Naja egal, weiter geht es durch die Glasgänge, in denen es jetzt schon langsam warm wird.

Halle 5

Hier dreht sich der Großteil um die Welt rund um die Bücher. Also vor allem Publisher wie Amazon Publishing, Books on Demand und epubli nehmen hier die Hälfte der Halle ein. Ein kurzer Blick zeigt jetzt auch keine interessanten Bücher. Auch wenn Amazon Crossing genannt wurde, habe ich keine Bücher unter der Marke gefunden, was ich schade fand, da ich dadurch in den Genuss der Wayward-Pines-Trilogie von Blake Crouch kam. Die andere Hälfte der Halle sind hauptsächlich Sachbuch- und Non-Ficiton-Verlage. Eine Ausnahme ist der Unsichtbar Verlag. Vor allem für seine Bücher von Dirk Bernemann bekannt. Ich habe jedoch mein Auge auf ein Buch von Christian Ritter geworfen: Merkwürdige Dialoge. Eine Sammlung von Dialogen, die verschiedene Autoren, vor allem Slam-Poeten (ist das ein existierendes Wort? Ab jetzt definitiv), beigesteuert haben. Zack, auf die Liste.

Dann ging es zu Kiepenheuer und Witsch, die auch gerne ungewöhnlichge Bücher wie S. – Das Schiff des Theseus oder Die geheime Geschichte von Twin Peaks verlegen. Beim Dachverlag habe ich nichts gefunden, doch der Unterverlag Galiani Berlin hatte Das Unglück andere Leute von Nele Pollatschek. Die Rückseite verspricht Komik und Tragik wortgewandt verpackt. Klingt legitim, ich bin gespannt.

Immer noch Halle 5 und noch eine Buchentdeckung. Der Aufbauverlag besitzt das Imprint Blumenbar. Den thematischen Schwerpunkt habe ich noch nicht gegriffen, doch die Cover sind schick. Hier habe ich mir Die Modernisierung meiner Mutter von Bov Bjerg (Auerhaus) rausgeschaut. Es scheint eine Sammlung von Texten des Autors zu sein. Der Grund des Kaufs: Horst Evers empfiehlt den Autor. Das sind Kriterien nach denen Bücher gekauft werden. Sorry.

Halle 3

Diese Halle wird vor allem von zwei Verlagshäusern dominiert: Randomhouse (Heyne, Goldmann, Penhaligon uvm.) und Droemer Knaur. Und was da los war. Die ganze Halle war voll. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens ist hier der Durchgang zur Manga-Comic-Con in Halle 1 und zweitens hatte Thrillerautor Sebastian Fitzek gerade Autogrammstunde. Und die Schlange der Menschen war ewig lang. Und sie standen logischerweise vor anderen Ständen und mitten im Gang. Das Durchkommen war eine Qual. Aus diesem Grund habe ich auch Heyne ausgelassen. Dafür habe ich bei Goldmann den Namen eines Autors entdeckt: Blake Crouch. Wie vorhin erwähnt, hat er die Bücher rund um Wayward Pines geschrieben, das alleine war der Grund, warum Dark Matter –  Der Zeitenläufer auf meiner Liste landete.

Das Beste dann zum Schluss (schleim, schleim). Ich habe endlich den FESTA Verlag entdeckt. Natürlich standen dort auch Frank und Inge Festa. Ich wurde nicht erkannt. Was nicht ungewöhnlich ist, denn immerhin war ich das letzte Mal vor über einem Jahr vor der Kamera und habe ansonsten nur geschrieben, außerdem ist ja TheFallingAlice mehr die FESTA-Leserin. Also habe ich einfach darauf hingewiesen, wer ich bin, so einfach ist das. Nach einem kurzen Gespräch erfolgte auch mein allererster Kauf auf der Buchmesse. Eine Versammlung von Krähen von Brian Keene. Bevor ich nun jede Halle erneut abklappere um die Bücher einzusammeln gibt es erstmal ein Eis. Und was anderes könnte es sein, als ein Cornetto Soft Stracciatella? Genau: Nichts!

„She just wanders around, unaffected by
The winter winds, and she’ll pretend that
She’s somewhere else, so far and clear
About two thousand miles from here“
– Jack Johnson: Taylor

Jetzt alle Quests abgeben

Messebuchhandlung: Ach Mist. Was denn das? Genres? Geht es noch schwammiger? Wie soll ich da denn ein Buch finden? *seufz* Das ist mir zu doof. Also ein neuer Plan: Jeden Stand nochmal besuchen und bei den mobilen Kassen bezahlen, yay. Ein Glück bin ich durch mein Cornetto gestärkt. Meine Füße tun bereits ein wenig weh. Also auf auf und so wandere ich durch die immer volleren Hallen, dränge mich durch die Massen und schaue dabei auf die App, um die Stände wiederzufinden. Auf einmal werde ich angesprochen. Huch, Menschen die ich kenne. Ich begrüße Bine und Basti kurz und lehne erstmal ab, mit zur Halle 1 zu kommen. Ich muss genau in die andere Richtung. So entschuldige ich mich und ziehe weiter.

Zwischenzeitlich habe ich bereits einen großen Beutel bekommen. Darin gab es einen Flyer, der mich darauf hinweist, dass ich für ein Jahr jeden Monat 5 Buchneuerscheinungen aus dem Bereich erotische Literatur gewinnen kann. Der Hammer. Es könnte mir nichts egaler sein als dieses Genre.

Also sammle ich weiter. Manchmal muss man ewig anstehen, bis man abkassiert wird. Da fragt man sich, ob zwei Kassiererinnen am Heyne-Stand nicht etwas unterbelegt ist, während an anderen Ständen sich die Damen langweilen und gerne mal leicht streiten, wer jetzt kassieren darf.
Mein Beutel wird jedenfalls immer voller. Und vor allem schwerer. Richtig schwer. Das passiert, wenn man Tasche und Beutel auf der selben Schulter belastet. Manchmal bin ich nicht sehr schlau.

„I quit, I’m done
Cause I don’t think it’s gonna turn out OK
It’s no fair, it’s no fun
If every time it’s gonna end the same way:
Me zero, big bad world one“
– Jonathan Coulton: Big Bad World One

Abenteuer MCC

So: Es ist soweit. Ich kann es nicht länger ausblenden. Wenn ich zu den Comics will, dann muss ich zur Manga Comic Con in Halle 1. Ergibt Sinn, oder? Das heißt, sich einfach in die Wellen werfen und tragen lassen. Überraschenderweise war es dann am Eingang gar nicht so voll. Nur die Stände selbst waren eng und befüllt. Mein Blick fiel zuerst auf den Stand des Splitter-Verlags. Das sind die mit den übergroßen Formaten. Und vor allem Malcolm Max. Eine neue Comicreihe, die bereits drei Bände hat. Selbstverständlich habe ich den neusten Band gleich erworben. Dann sehe ich da vor mir I Hate Fairyland liegen. Eine limiterte Version des Comics von Skottie Young. Und ich weiß, dass eine gewisse Bloggerin ein totaler Fan von Skottie Young ist. (Ich schreibe extra für dich so oft Skottie Young. Kannste mal sehen. Danke, das weiß ich sehr zu schätzen.) Also habe ich sie per moderner Soforttextnachricht darüber in Kenntnis gesetzt, was darin endete, dass ich ein Buch mehr in meinem Beutel verstaut habe.

So. Also jetzt kenne ich auch ein paar Cosplayer persönlich. Also habe ich einen angeschrieben und wie es der Zufall so will, ist er ganz in der Nähe. Fakten, die ich bekam: Eine kryptische Positionsbeschreibung und dass ich ihm am Stoppschild erkenne. Nach einer völlig unnötigen Rundreise, auf die Mark Twains Schrittzähler stolz wäre, habe ich ihn dann doch noch entdeckt. Natürlich habe ich Martin nur nicht gesehen, weil es ein Verbotsschild und kein Stoppschild war. *hust* Er stellt Shizuo Heiwajima aus dem Anime Durarara!! dar. Ich musste das nochmal recherchieren, weil ich es wieder vergessen hatte, aber hey. Da er offensichtlich ein bekannter Charakter ist, lief der Rest der Messe folgendermaßen ab: Wir unterhalten uns. Jemand kommt an und fragt, ob ein Foto geschossen werden darf. Ich nehme seine Tasche ab und trete aus dem Bild. Wir gehen ungefähr fünf Schritte weiter und es fängt von vorne an. Spaßig. Zwischendurch ruhen wir uns draußen unsere Füße aus, bis es zu kalt wird. Und das trotz strahlender Sonne. In der Glasshalle wird dann gechillt, bis ich dann auch langsam aufbrechen muss, um meinen Zug zu bekommen.

„Schmeiß eine Flasche, doch du bleibst eine Flasche
Denn der Geist aus der Flasche macht dich high, wie ein Drache
Aber unter den Wolken sind die streitenden Massen
Von allen guten Geistern verlassen“
– Alligatoah: Teamgeist

Die Rückkehr nach Hause

Fahrplanung: Ich soll nach Bitterfeld und dann innerhalb von fünf Minuten umsteigen. Darauf habe ich eigentlich keine Lust, also fahre ich zurück zum Hautpbahnhof und siehe da, es ist wesentlich entspannter, auch wenn die Wagenreihung genau umgedreht war, als eigentlich angezeigt. Zweimal Lotto an einem Tag. Ich fühle mich schmutzig. Als ich die Tasche abnehme und mich auf meinen Platz setze, merke ich, wie sehr mir gerade alles wehtut. Und wie erschöpft ich bin. Also setze ich einfach Kopfhöhrer auf und höre den Podcast Stay Forever, ein Retro-Spiele-Format. Anders als bei der Hinfahrt, werde ich sogar kontrolliert. Die Technik versagt nicht und Ticket und BahnCard wurden erkannt. Alles entspannt, so kann es auch sein. Dann bin ich auch schon in Berlin, hole mir einen Big King XXL bei Burger King (zu meiner Verteidigung: Ich habe den ganzen Tag nicht gegessen. KFC war meine Wahl, also auch nicht gesünder.) Und fahre dann mit der Tram (Straßenbahn für Menschen, die den Begriff nicht kennen) direkt an meine Haustür. Jetzt schnell nochmal die Käufe gesichtet und ein Foto gemacht. Wasser in die Wanne mit „Eine Portion Wärme“ (da sagt jemand, Männer hätten keinen Sinn für Wellness), um den geschundenen Körper etwas zu entspannen und dann Westworld beginnen und den Tag ausklingen lassen.

„Well, look way down the river, what do you think I see?
I see a band of angels and they’re coming after me
Ain’t no grave can hold my body down
There ain’t no grave can hold my body down“
– Johnny Cash: Aint No Grave


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