Natsinet ist es leid in einer Notaufnahme zu arbeiten, wo immer wieder diesselben Menschen eingeliefert werden, die sie erst wieder zusammengeflickt hatte und nun selbst jemanden erschossen, erstochen oder einfach wieder verletzt haben. Sie ist es nicht nur leid, es widert sie an. Es macht sie krank.

So bewirbt sie sich auf eine Stelle in einem Pflegeheim, dass ihre Patienten auch zu Hause betreut. Sie ist neu, daher wird ihr gleich ein Fall in einer Gegend angeboten, in der niemand sonst arbeiten will. Voller Wut – denn genau vor Leuten aus genau solchen Gegenden floh sie ja gerade – muss sie dennoch akzeptieren, was ihr dort angeboten wurde. Doch sie ist sich sicher, dass sie diesen Job so schnell wie möglich hinter sich bringen wird. Mit allen Mitteln.

Die Patientin ist niemand geringeres als Adelle Smith, eine Frau, die sich in ihrer Jugend und auch noch im Alter für die Rechte der Schwarzen einsetzte und dafür auch im Gefängnis saß. Doch gerade als ihr ein bedeutender Preis verliehen worden ist, strecken mehrere Schlaganfälle sie nieder. Ihre linke Seite ist vollständig gelähmt und auch ihre Sprachfähigkeiten sind eingeschränkt. Doch in ein Heim zu gehen, kommt für sie nicht infrage. Adelle möchte zu Hause versorgt werden. Und so treffen Natsinet und Adelle verhängnisvollerweise aufeinander.

Was folgt ist eine Tirade des Schmerzes, der Demütigung und Entwürdigung von Adelle Smith. Denn Natsinet ist Tag und Nacht bei ihrer Patientin. So kann sie ganz ungestört ihren gemeinen und brutalen Plan in die Tat umsetzen. Adelle ist ihrer Pflegerin dabei hilflos ausgeliefert, kann sich nicht wehren und auch keine Hilfe holen.

Natsinet ist in dieser Geschichte das Böse in Person. Jedoch ist der Charakter so konstruiert, dass zunächst die eigentliche Motivation der Pflegerin für Verwirrung sorgt. Der Fokus liegt sehr auf Rassismus gegenüber Schwarzen, sowie der Selbstwahrnehmung der Pflegerin, die sich als Frau dunkler Hautfarbe nicht als Schwarze betrachtet, sondern als Weiße. Hierin liegt auch ihr eigentliches Problem. Natsinet fühlt sich nicht nur als Weiße, sondern sie verachtet dabei alle anderen Schwarzen, die nichts aus ihrem Leben machen und denen sie die Schuld gibt, selbst immer wieder Schwierigkeiten im Studium oder im Job aufgrund ihrer Hautfarbe zu bekommen.

Natsinet steigert sich zunehmend immer mehr in ihren Hass hinein. Auch Adelle verabscheut sie vom ersten Moment. Denn obwohl sie sich ihr Leben lang für die Rechte von Schwarzen eingesetzt hat, so lebt sie immer noch in den Slums, macht immer noch den weißen Mann für all ihre Probleme verantwortlich. Dies ist zumindest Natsinets Sicht der Dinge. Die Pflegerin ist somit ein durch und durch böser Charakter, der keine Gnade kennt und vor nichts zurückschreckt. Erst durch ihre Brutalität scheint sie endlich so etwas wie Zufriedenheit zu empfinden.

Der Kern der Geschichte spielt sich hier zwischen Pflegerin und Patientin ab, aber ein wirkliches Ungerechtigkeitsgefühl kommt beim Leser nicht auf. Denn wie so oft bleibt die Charakterbildung aufgrund der Kürze der Erzählung auf der Strecke. Der Leser findet niemanden wirklich sympathisch oder unsympathisch. Wir erkennen, dass hier das reine Gute in Form von Adelle und ihrer Tochter Tonya (die ab und zu auch auftritt, ihre ehemaligen Slumkontakte spielen lässt, um ihre Mutter zu beschützen, aber aufgrund ihrer Heirat in den „weißen“ Vororten lebt) gegen das reine Böse in Form der verbitterten und gefühlslosen Natsinet kämpft.

Trotz der Aneinanderreihung der Brutalitäten und der Belanglosigkeit der Charaktere sind einige Szenen nicht nur gut, sondern sehr gut ausgearbeitet. Besonders das Ende, das fast schon kriminalistisch anmutet, wie auch eine für Natsinet körperlich sehr anstrengende Szene sind erzählerisch gut ausgearbeitet und die eigentlichen Höhepunkte der Geschichte.


3/5