Eine Studie in Scharlachrot

Teil 1: Aus den Erinnerungen von John Watson M.D., ehemals Mitglied des Medizinischen Dienstes der Armee

Sherlock Holmes und Doktor Watson. Sie sind DAS Team der Kriminalliteraturgeschichte. Hier begegnen sie sich zum allerersten Mal. Ein historischer Moment sozusagen. Der Meilenstein von etwas, das noch heute Grundlage für so viele Adaptionen ist.

Watson kehrt nicht nur äußerlich verwundet aus dem zweiten Afghanistan-Krieg wieder und muss bald feststellen, dass seine eisernen Reserven nicht lange reichen werden. Er kann sich sein Zimmer in einer Pension nicht länger leisten und fasst den Entschluss, sich zusammen mit jemandem eine Wohnung zu mieten. Das ist erstens günstiger und zweitens hätte er dann endlich wieder Gesellschaft. Über einen Bekannten lernt Watson bald darauf einen Mann namens Sherlock Holmes kennen, der sich in seiner Freizeit gern in Leichenhallen aufhält, um die postmortale Wundenbildung zu untersuchen. Doch beide sind sich schnell einig und so beziehen sie ein Apartment in der wohl berühmtesten Nummer der Baker Street: 221b.

Holmes ist ein gefragter Berater sowohl in privaten Angelegenheit als auch gelegentlich für Scotland Yard. Bald ergibt sich eine erste Gelegenheit in der er seinem Mitbewohner die vollen Ausmaße seiner deduktiven Fähigkeiten beweisen kann. Es ist ein Mord geschehen. Obwohl Blut im Raum, in der die Leiche entdeckt wurde, gefunden wird und mit demselben das Wort „RACHE“ an die Wand gemalt wurde, so weist doch der Tote selbst keine Wunden auf. Der Raum ist komplett leer, nur eine stille Kerze sorgt für ein wenig Licht. Als dann noch ein einsamer Ehering gefunden wird, beginnt für Holmes und Watson ihr erster Fall: Eine Studie in Scharlachrot.

Mit John Watson beginnt die Geschichte, denn er ist der Ich-Erzähler dieser Begebenheiten. Eher ein Chronist, wie er oftmals bezeichnet wird. Daher ist es logisch, die Erzählung mit dem Krieg beginnen zu lassen. Zu verstehen, was den „Chronisten“ treibt, wie es zu der ersten Begegnung kam und wie beeindruckend Holmes Fähigkeiten wirken können. Durch Watsons Ausführungen bleibt dem Leser solange die Gesamtheit der Umstände unklar, wie sie es dem Erzähler selbst bleiben. Nur Stück für Stück offenbart sich die Wahrheit. Das Conan Doyle mit Sherlock Holmes eine unverwechselbare und unvergessliche Figur geschaffen hat, braucht an dieser Stelle wohl nicht erwähnt werden. Watsons Erzählungen sind stets auf das wesentliche reduziert. Es gibt nicht viele Ausschmückungen, Watson erzählt die Begebenheiten so, wie sie seiner Erinnerung nach abgelaufen sind. Obwohl der Reduzierungen schafft es der Autor alles Wesentliche auf einen Punkt zu bringen. Der Leser hat von allem ein klares Bild.

Nun endet der erste Teil mit der Festnahme eines Schuldigen.

Teil 2: Das Land der Heiligen

In dem wir nun eine Menge Hintergrundgeschichte erfahren. Es wird eine andere Perspektive gewählt. Ein auktorialer Erzähler berichtet uns von den Ereignissen, die letztendlich zu dem führten, was wir im ersten Teil vorfanden. Dieser Teil war ein wenig befremdlich, da nicht der Schuldige selbst einen Bericht abgab, sondern der Leser mit einer Art neuen Geschichte konfrontiert wurde. Erst nach einer Weile wurde klar, was dieser erzählerische Ausflug zu bedeuten hat. Doyle verlässt hier seine gewohnte Erzählweise, verlässt sogar unsere Protagonisten und eröffnet uns eine völlig neue Welt, in der wir uns erst zurecht finden müssen.
Für mich persönlich waren das Setting und die Erzählweise so befremdlich, dass es mich aus dem Lesevergnügen schleuderte und ich erst eine Weile gebraucht habe, um mich dem Buch wieder anzunähern.

Mit knapp 190 Seiten ist dies ein sehr kurzer Roman, weshalb in der Gesamtbetrachtung dieser kleine Ausflug nicht schwer wiegt. Zumal uns der Autor galant wieder ins viktorianische London führt, wo Watson Holmes nach dem genauen Hergang seiner Ermittlungen befragt und wir zum ersten Mal Zeuge des ungewöhnlichen Denkens des Meisterdetektivs werden dürfen, wenn auch noch zurückhaltend und reduziert.

Dies also ist nur der Anfang von etwas ganz Großem. Einer Welt voller noch zu lösender Fälle und einer wachsenden Freundschaft. Ich freu mich drauf.


3.5/5