Wir begleiten ein junge Frau, Petronella Brandt, auf den Weg in ihr neues Leben. Als Kind in eine einfache Familie geboren, eines unter vielen Geschwistern und den Vatern jung verloren, soll sie ein besseres Leben haben. Und so unterrichtet ihre Mutter sie, eine Dame zu werden. Ein passender Bräutigam ist schnell gefunden. Und ehe es sich Nella versieht, ist sie eine verheiratete Frau. Ihr Mann muss noch am Tag ihrer Hochzeit wieder auf Reisen und überlässt es Nella, in sein Anwesen zu ziehen. Es ist das Jahr 1686. Nella bereitet sich schon auf das vor, von dem ihr gesagt wurde, es seien ihre Pflichten als Ehefrau. Vorfreude und Angst vor dem fremden Mann beherrschen sie zeitgleich, doch bei ihrer Ankunft ist von Johannes keine Spur. Stattdessen empfangen sie seine mürrische Schwester, die die Herrin des Hauses zu sein scheint, zwei Hunde und zwei Bedienstete, deren Ausgelassenheit und Frechheit Nella befremdet. Niemanden scheint es zu interessieren, dass sie dort ist. Alle sind ihr gegenüber schrecklich unfreundlich und dann, als ihr Mann endlich heimkehrt, stößt er sie von sich. Nella ist enttäuscht.

Doch schon bald zeigt sich ihr frisch Vermählter etwas versöhnlicher und bringt seiner jungen Frau ein außergewöhnliches Hochzeitsgeschenk: ein Puppenhaus, eine exakte Nachbildung seines Anwesens und dessen Räumlichkeiten. Um sich abzulenken, soll Nella es nach ihrem Belieben möblieren. In ihrer Einsamkeit gibt sie ein paar Möbelstücke in Auftrag, doch das, was ein paar Tage später auf den Stufen des Hauses liegt, hat sie nicht bestellt. Miniaturen von Dingen, wie sie im Anwesen zu finden sind. Es sind genaue Kopien der Wirklichkeit. Nella bekommt es mit der Angst zu tun und begreift zu spät, welche Geheimnisse die vielen kleinen Nachbildungen verbergen. Und dass nicht alles so im Hause Brandts ist, wie es zu sein scheint.

Wir begleiten Nellas Entwicklung von einem jungen naiven und fast scheuen Mädchen zu einer Frau mit großem Selbstbewusstsein. Nicht nur die Geheimnisse der Familie nehmen in diesem Buch einen großen Platz ein, sondern es ist auch immer wieder die Rolle der Frau zur damaligen Zeit, die dem Leser vor Augen geführt wird. Anders, als in vielen anderen Ländern und Städten, herrscht in diesem Amsterdam für Frauen eine gewisse Freiheit. Sie sind nicht nur die Dienerinnen ihrer Männer, die den Tag damit verbringen, zu Hause auf ihren Liebsten zu warten und sich mit allerhand Kleinigkeiten die einsamen Stunden zu vertreiben. In gewissen Grenzen kann eine Frau hier zu einer eigenen Persönlichkeit werden. Und so lernt Nella schnell, Widerworte zu geben, zu handeln und die Initiative zu ergreifen. Doch die Entdeckung des ersten Geheimnisses, die zeitgleich auch die große Wende des Buches darstellt, wirft sie zunächst aus der Bahn.
Der Leser hat es kommen sehen. Mit aller Deutlichkeit. Die Zeichen dafür waren vorhersehbar. Deshalb erleidet der Leser auch keinen solchen Anfall wie Nella, die es in ihrer Unerfahrenheit wie ein Schlag trifft.

Dieses Buch ist die Geschichte einer Familie, die auf den ersten Blick zerrissen scheint, in der es aber ein viel stärkeres Band gibt, als zunächst angenommen. Geheimnisse werden bewahrt und aufgedeckt.
Die Obsession Nellas, denjenigen zu finden, der ihr all diese Dinge schickt und die Frage, woher der geheimnisvolle Fremde all dies wissen kann, fesselt den Leser und lässt ihn genauso wenig los, wie die junge Frau.
Ich habe dieses Buch gern gelesen.


4/5