Hat der alte Hexenmeister, sich doch einmal wegbegeben…

Halt nein Moment falscher Text, falscher Autor, nicht einmal das richtige Jahrhundert habe ich getroffen.
Das Stück von dem ich nämlich eigentlich berichten wollte, nennt sich „Der Sturm“. Viel wurde kritisiert, warum es denn nicht die Insel heiße, wenn der titelgebende Sturm doch nur in der ersten Szene vorkomme und dann nicht einmal ein echter Sturm sei. Nein, „Die Insel“ wäre doch viel passender, schließlich spielt doch alles nur auf diesem einen Eiland. Aber das ist nun einmal das Stück des Autors und damit kann er machen, was er will.

Die Anspielung auf den Zauberlehrling von Goethe ist jedoch gar nicht mal so abwegig, denn auch in dem Stück von Shakespeare, das fast zweihundert Jahre vor Goethes Text erschien, geht es um einen Zauberer. Um eine Zauberer nämlich, der Rache will. Und diese Rache ist bis ins letzte Detail sorgfältig geplant und zusammen mit Erdengeistern ausgetüfelt worden. Prospero ist der Name dieses Zauberers. Vor einer langen Zeit, etwas mehr als einer Dekade, war er Herzog von Mailand, aber Wissenschaft interessierte ihn mehr als Regierungsgeschäfte, weswegen sein eigener Bruder seine Stellung übernahm und ihn – zusammen mit seiner Tochter – auf eine Insel vertrieb.

Miranda – die Tochter – hingegen weiß nichts von der der Vergangenheit ihres Vaters. Sie ist zu einem tüchtigen, klugen, wenn auch naiven Mädchen herangewachsen. Als sie einen heftigen Sturm und ein untergehendes Schiff beobachtet, sucht sie in ihrer Not den Vater auf, der sie jedoch beruhigen kann. Der Sturm selbst ist nichts weiter als ein Schauspiel, eine Posse und niemand ist verletzt. Das mag Miranda beruhigen, jedoch weiß niemand der „Schaupieler“, die im Sturm selbst gefangen sind, dass sie Akteure in einem perfiden Racheplan sind. Die Mannschaft – darunter natürlich Prosperos Bruder, der König von Neapel und dessen Bruder, sowie einige Männer vom Hofe- ist voll und ganz ihrer Verzweiflung ergeben. Nachdem sie scheinbar den Sturm „überlebt“ haben, finden sie sich an verschiedenen Stellen der Insel verstreut wieder.

Prospero, der Arsch

Prospero wäre dies alles nicht ohne die Hilfe der bereits erwähnten Geister möglich gewesen. Vor seiner erzwungenen Ankunft auf der unbenannten Insel wohnte dort eine Hexe mit Namen Sytorax mit ihrem Sohn. Nach ihrem Tod lebte der Sohn, den Prospero Caliban nennt, als Herrscher allein auf der Insel. Kaum dort angekommen, macht sich Prospero selbst zum Herrscher über Caliban und die Geister und verlangt dann auch noch tiefste Dankbarkeit, denn schließlich habe er diese Figuren ja gerettet. Sowohl Geister als auch Mensch werden nun zu seinen Dienern.

Prospero ist schon ein ziemlich unsypmathisches Kerlchen, aber eigentlich bringt man keiner der handelnden Figuren wirklich so etwas wie Sympathie entgegen. Das ist auch so gewollt, denn keine der Figuren soll im Laufe der Handlung eine Charakterentwicklung durchmachen. Alle sind so wie sie sind: die Verräter bleiben Verräter ohne Besserung, Caliban ein wildes Tier und Miranda eben ein Dummchen. Nur Prospero bekommt am Ende alles, was er will.

Reclam vs dtv

Aber nur, weil es hier keine Charakterentwicklung gibt und die Hauptfigur Prospero mir nicht sympathisch war, heißt es nicht, dass es ein schlechtes Stück ist. Nein. Ich las das Werk in zwei verschiedenen Übersetzungen. Die Reclam Ausgabe folgt der Übersetzung von August Wilhelm Schlegel, die dtv Ausgabe ist neu übersetzt von Frank Günther. Ich will und kann mir an dieser Stelle nicht anmaßen, über die Qualität der Übersetzung zu urteilen. Was ich aber als „einfacher Leser“ beurteilen kann, ist, dass die zweitgenannte Übersetzung wesentlich verständlicher ausfällt als die erste. In der dtv Ausgaben wird zustätzlich noch der englische Text abgedruckt (zugegebenermaßen gibt es auch eine englisch/ deutsche Reclam Ausgabe), wodurch der Vergleich von Übersetzung und Originaltext einfacher wurde. Schlegels Übersetzung ist – auch das muss man diesem Text zu Gute halten – ein paar Jahre (Jahrhunderte) älter als Günthers Text. Dieser ist außerdem in einer sehr modernen Lesart verfasst. Zusätzlich bringt die dtv Augabe noch einige Essays mit sich, die ein breiteres und tieferes Verständnis zu dem Stück schaffen.

Ich bin froh, durch das Hogarth-Projekt bisher zumindest die Werke von Shakespeare (teilweise) neu und irgendwie auch verständlicher entdecken zu können. Dieses Stück hat mir im Vergleich zu „Das Wintermärchen“ weniger gut gefallen, jedoch vermittelte es mir trotzdem ein gutes Lesegefühl. Ich freue mich auf weitere Werke.


3.5/5