Es scheint das Ende von Sherlock und Holmes und Professor Moriarty zu sein.

Der Reichenbachfall hat seine Opfer gefordert. Doch nur eine Leiche wird am Ende des tosenden Wassers gefunden. Und der berühmte Meisterdetektiv ist das nicht.

Wo die Geschichte der einen scheinbar endet, entsteht im Zuge der Ermittlungen in der Schweiz eine neue Partnerschaft. Athelny Jones ist Ermittler bei Scotland Yard und soll den geheimnisvollen Tod des Moriarty untersuchen und aufklären. Denn um niemand geringeren handelt es sich bei dem gefundenen Körper.
Frederick Chase hingegen ist extra aus Amerika angereist. Dort ist er ebenfalls so etwas wie ein Detektiv bei der privaten Agentur Pinkerton, die durch einen zuvor eingeschleusten und bereits getöteten Agenten von den Machenschaften Moriartys und eines noch viel größeren Gegners erfahren haben.

Ihr Weg führt die beiden Ermittler zurück nach London. Aufgrund ihrer Untersuchungen geraten sie jedoch in den Fokus eines gewissen Devereux. Ein skrupelloser und gewalttätiger Amerikaner, der es geschafft hat, ein brutales Verbrechernetzwerk in London zu erschaffen. Niemand hat ihn je persönlich zu Gesicht bekommen, doch seine Augen und Ohren hat er überall. Als dann weitere Morde geschehen geraten Jones und seine Familie in den Fokus des Schurken. Es ist klar, dass er und Chase die Bande zu Fall bringen müssen.

Der gesamte Roman ist – wie bereits der Vorgängerroman DAS GEHEIMNIS DES WEISSEN BANDES – eine Hommage an die Geschichten rund um den berühmten Detektiv Sherlock Holmes.

Angesiedelt wird das Geschehen direkt nach den Reichenbachfällen, als man den Detektiv tot glaubte, obwohl er Jahre später doch durch seinen Autoren und Schöpfer wiederbelebt wurde. Eine Leiche wurde gefunden. Den Mann hatte niemand zuvor gesehen. Und so lässt es keine Zweifel übrig, dass es sich bei dem Verstorbenen um Moriarty selbst handeln muss. Bei sich trägt er eine verschlüsselte Botschaft, die Jones jedoch schnell entschlüsseln kann. Ab da überschlagen sich die Ereignisse.

Anders als im Weißen Band stehen nicht Sherlock Holmes, Dr. Watson und das Verbrechen im Fokus. Diese werden galant durch den Ermittler Jones und den Agenten Chase ersetzt. Dabei wird schnell klar, wer welche Rolle einnimmt. Von je her ist Jones fasziniert von Holmes und hat sich im Selbststudium seine Methoden angeeignet. Doch nicht nur seine Methoden sind es, sondern sein ganzen Verhalten, seine Sprache sind es, die einen glauben lassen, hier wäre ein verkleideter Holmes zu Gange. Wenig überraschend nimmt nun Chase, aus dessen Sicht das Buch erzählt wird, die Rolle des Dr. Watson ein, ja wird sogar durch Jones zu einem solchen benannt.

Treffen wir in der Geschichte auf alte Bekannte, wie Moriarty, Sherlock Holmes, Dr. Watson und Lestrade – ja sogar Mrs. Hudson wird namentlich erwähnt – so kommt beim Lesen nicht das Gefühl wie beim Lesen eines „echten“ Sherlock Holmes auf.

Erzählerisch wird hier vielmehr mit Spannung gearbeitet, mit Action und Gewalt. Die eigentlich so geliebte Deduktion tritt hier stark in den Hintergrund. Es bleibt weniger geheimnisvoll, dafür wird der Leser von einem Schauplatz zum nächsten gejagt, immer mehr Figuren werden eingeführt, immer mehr Verbrechen begangen. Man hat vielmehr das Gefühl in einer besonderen Folge der Serie „Ripper Street“ gelandet zu sein.

Betrachtet man das Buch also so, als hätte der Autor gar nicht versucht einen noch neueren Sherlock Holmes Roman zu verfassen, sondern seine Hommage diesmal lediglich durch die handelnden und genannten Figuren zu vermitteln, so ist ihm durchaus eine lesenswerte Kriminalgeschichte gelungen. Wenn man Abstand zu seinen Erwartungen nimmt, dass Buch als etwas Eigenständiges betrachtet, so wird hier eine rasante Geschichte erzählt, die in sich so viele Verzweigungen hat, die auf den ersten Blick nicht zu erfassen sind. Ein Netzwerk von Verbrechern, die alle an einem Punkt zusammen laufen, ein Rennen gegen die Zeit und eine Pfad aus Blut und Leichen.

Der Aufbau einer klassischen Sherlock Holmes Geschichten suchen wir hier ebenfalls vergeblich. Und so bleibt am Ende des Buches eigentlich nur eine einzige Frage ungelöst, dessen Existenz im Roman rückblickend betrachtet eigentlich an Sinnhaftigkeit  fehlt und nur in Hinblick auf einen vielleicht folgenden Roman seine Daseinsberechtigung finden kann.

Der Fall Moriarty macht durchaus Spaß, ist durchgehend gut geschrieben, die Charaktere insgesamt alle etwas derber und wenn man versucht, nicht allzu verbissen auf dieses Werk zu schauen, ist Anthony Horowitz zwar kein solch gutes Buch wie mit dem Weißen Band gelungen, dennoch legt er hier einen lesenswerten Roman vor.

 


3/5