Was wäre wenn…

Deutschland und Japan haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen und Amerika zwischen sich aufgeteilt. Nur das Gebiet in den Rocky Mountains ist als Niemandsland deklariert. Während die Nazis immer neue Technologien bauen, um das All zu erkunden und auch versuchen ganze Kontinente von „niederen“ Rassen zu säubern, übernehmen die Japaner die Kultur der Amerikaner und vermischen ihre Einflüsse. So hat es sich in den Alltag eingegliedert, bei verschiedenen Fragen des Lebens das I Ging zu befragen, ein Orakel, das mittels komplizierter Technik immer die passende Antwort liefert, auch wenn diese nicht immer klar ist.

 Viele kleine Schicksale

Statt eines übergeordneten Handlungsstrangs etabliert Philip K. Dick zu Beginn mehrere Charaktere, die jeweils ihre eigene Geschichte erleben. So folgen wir einem Antiquitätenhändler, der versucht sein Geschäft mit den Japanern zu verbessern und sich gerne von seinen Vorurteilen lenken lässt. Oder einem versteckten Juden, der seinen Job verloren hat und nun versucht, selbst Fuß zu fassen. Es existieren noch weitere Personen und auch wenn sie sich ab und zu begegnen, sind ihrer Handlungen nur lose verbunden. Jede einzelne Geschichte ist dabei interessant und als Leser will man immer wissen, wie es für den jeweiligen Protagonisten ausgeht. Gehemmt wird dieses Interesse durch das stete Springen zwischen den Charakteren. Dadurch muss man sich immer wieder, und häufig seitenweise, wieder auf ein anderes Szenario einstellen.
Es erinnert leicht an die Filmversion des Buches DER WOLKENATLAS, der die ordentliche Erzählstruktur des Buches abhanden gekommen ist.

Der Mann in der Burgfeste / Das Orakel vom Berge

Es existiert eine weitere Parallele zum Wolkenatlas: Alle Handlungen haben eine Konstante, die sich durch den gesamten Roman zieht. Es handelt sich um das Buch DIE PLAGE DER HEUSCHRECKEN. Ein fiktives Werk, das von einer alternativen Welt erzählt, in der die Achsenmächte den Krieg verloren haben. Schnell wird dem Leser klar, dass es jedoch nicht unsere Realität ist, sondern ein weiteres alternatives Szenario. Es ist trotzdem ein interessanter Twist und auch der Autor und der Ursprung des Romans sind ein wichtiger Teil der Handlung. Jeder redet über das Buch. Auch der Autor weckt Interesse, soll er sich doch, um sich vor Attentaten zu schützen, in einer Burgfeste in den Rockys aufhalten (daher der Originaltitel: THE MAN IN THE HIGH CASTLE ).
Alles in Allem ist diese Alternativweltgeschichte, wie man sie auch von VATERLAND von Robert Harris kennt, sehr interessant und bekommt durch das Buch im Buch noch einen Extratwist.

Zäher Fortschritt

Neben dem Springen zwischen den einzelnen Charakteren stört auch der Schreibstil des Autors, der schon bei BLADE RUNNER das Lesen zur Arbeit gemacht hat. Auch der wegfallende Spannungsbogen wirkt sich negativ auf die Lesefreude aus. Und am Ende steht der Leser da, die Welt an sich ist genau die gleiche wie vorher und auch wenn die einzelnen Personen beginnen sich zu wandeln wird schnell klar, dass man sie nur während ihrer Anfänge beobachten konnte und kaum Antworten bekommt.

Fazit

Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Buch einen Blick wert ist. Alleine schon, da es oft zitiert wird und ein Klassiker der alternativen Geschichtenerzählung ist. Es sollte kein Pageturner erwartet werden, sondern ein behäbiges Buch, dass alleine von seinem Setting lebt. Fans solcher Gedankenspiele und diejenigen, die gerne mal ihr Klassiker-Wissen verbessern wollen, können gerne das Buch in Angriff nehmen.

 

 

Gastrezension von Max


3.5/5