Eine Geistergeschichte

Der namenlose Erzähler der Geschichte „Das Durchdrehen der Schraube“ bringt uns zunächst an einen Ort, an dem er und einige weitere Personen ihre freien Tage verbringen. Es kommt das Gespräch auf den Briefwechsel eines der anwesenden Männer mit einer Dame. Dieser besagte Mann lässt sich breitschlagen, die Geschichte, die ihm die junge Dame einst schilderte, seinen Gefährten vorzulesen. So befinden wir uns gemütlich in einer Runde mit anderen erwartungsvollen Männern und Frauen und es beginnt die Geschichte.

Das Mädchen selbst, die nun als Ich-Erzählerin auftritt, ist in der Hoffnung auf eine gute Anstellung und das Wohlwollen eines für sie zwar fremden aber anziehenden Mannes auf dem Weg zum Anwesen seiner Familie. Dort soll sie die neue Gouvernante zweier Waisen werden. Die süße Flora, ein liebreizendes und für die Erzieherin gar engelsgleiches Mädchen schließt sie sofort in ihr Herz. Doch der Junge Miles, der von seiner Schule verbannt und nach Hause geschickt wurde, bereitet ihr Sorgen. Aber als sie ihn abholt, sind all ihre Sorgen vergessen. Denn er steht seiner Schwester in Sachen Liebreiz in nichts da. Die Gouvernante weiß, dass diese beiden Kinder das Reinste sind, was sie je gesehen hat.

Doch schnell legt sich ein Schatten über die Idylle. Immer wieder tauchen ein Mann und eine Frau auf. Sie beobachten sie und vor allem die Kinder aus der Ferne, sind gleichzeitig aber immer so nah, dass die Gouvernante sie sehen kann. In ihrem Argwohn findet sie in der Haushälterin Mrs. Grose eine Verbündete und schnell ist klar, dass es niemand anderes sein kann, als die verdorbene vorherige Erzieherin und der noch verdorbenere ehemalige Diener des Hauses. Diese beiden hatten einen schlechten Einfluss auf die Kinder und sind unter nicht weiter geklärten Umständen zu Tode gekommen.

Für die Gouvernante ist klar, dass die beiden es auf die Kinder abgesehen haben. Sie sind gekommen um die beiden Engel zu holen. Das muss sie um jeden Preis verhindern.

Der unzuverlässige Erzähler

Um diese Geschichte ranken sich einige verschiedene Interpretationen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob es sich bei den Erscheinungen um eine Realität handelt oder ob die Erzählerin selbst einer Einbildung und damit einer Form der psychischen Störung erlegen ist. Bis zum Ende wird niemals klar, welcher dieser beiden Theorien wahr ist. Die Erscheinungen werden nur von der Gouvernante gesehen. Mrs. Grose ist als weitere Schlüsselfigur der Erzählung zwar ein treue und ergebene Seele, gibt jedoch zu, nichts dergleichen sehen zu können. Nichtsdestoweniger hält sie weiterhin zu ihrer Freundin, erklärt sie nicht für verrückt. Die Kinder hingegen sind zwei Wesen, aus denen der Leser nicht schlau wird. Wie auch die Erzieherin erliegt der Leser bald dem Verdacht, dass sowohl Flora aber insbesondere Miles tatsächlich dem Einfluss der vorherigen Diener ausgesetzt waren und auch weiterhin sind. Und das sie selbst diesem Verdorbensein entgegenfiebern.

Jedoch wendet sich Flora am Ende der Erzählung von ihrer geliebten Gouvernante ab, so plötzlich und harsch, dass man aus dem Kind nicht schlau wird. Miles hingegen scheint empfänglicher für die Geister zu sein, doch genau weiß es der Leser nie. Weiterhin kommt uns die Erzählung nicht wie die einer irren Frau vor.
Anders als zum Beispiel in der Erzählung „Die gelbe Tapete“ spüren wir in den Schilderungen weder Wahnsinn noch Verwirrung. Wir haben hier eine Erzählerin, die klar denkt und strukturiert handelt. Heutzutage wird es zugelassen, dass beide Interpretationen ob des Geisteszustandes der Protagonistin ihre Daseinberechtigung haben. Darum spricht man auch von einem unzuverlässigen Erzähler.

Sprache und Stil 

Geistergeschichten waren zur Zeit Henry James‘ sehr beliebt. Anders als zum Beispiel H.G.Wells fehlt es dem Autor allerdings an der Modernität der Sprache. Er ist gefangen in seinem Stil, der sich oftmals durch lange verschachtelte Sätze widerspiegelt, die durch eine Schwere Sprache gekennzeichnet sind. Ein Beispiel:

„War denn nicht ein Lichtschimmer in der Tatsache, der, während wir unsere Einsamkeit teilten, mit einem blendenden Glanz, der noch nie völlig verblichen war, hereinbrach – der Tatsache, dass es (angesichts der hilfreichen, der kostbaren Gelegenheit, die jetzt gekommen war) unsinnig wäre, bei einem so begabten Kind auf die Hilfe verzichten, die man uneingeschränkter Intelligenz abringen könnte?“

Unbestreitbar beweist der Autor durch die Strukturierung und Formulierung seiner Sätze ein hohes Maß an Kunstfertigkeit, doch die fehlende Modernität ist es, was gerade heutige Leser über die Sprache stolpern lässt. Dadurch fällt es schwerer, sich der kreierten Stimmung hinzugeben und vollständig in sie einzutauchen.

Trotz allem kam das Ende unerwartet und war der Höhepunkt der ganzen Geschichte. Ich fand in dieser Erzählung nicht die erhoffte Schaurigkeit. Jedoch hatte ich ein Buch vor mir, dass mir als Geistergeschichte im Großen und Ganzen gut gefiel.


3.5/5