Die Tage auf Black Rabbit Hall sind die schönsten Tage im Leben von Amber Alton, ihrem Zwillingsbruder Toby und ihren kleinen Geschwistern Barney und Kitty. Hier können sie zusammen mit ihrem Vater und ihrer Mutter eine glückliche Familie sein. Es ist Frühling, draußen wird es immer wärmer und Barney tut nichts lieber, als den wilden Kaninchen im Wald hinterher jagen. Kitty dagegen fährt den lieben langen Tag ihre Lumpenpüppi spazieren, macht sie zurecht und lässt sich am Abend gern die Knoten aus den Haaren kämmen. Toby ist ein richtiger Wildfang und am liebsten draußen. Und das am allerliebsten mit seiner Schwester Amber. Zwar hatte sie keine großen Lust in diesem April nach Cornwall in das Landhaus der Familie zu reisen, weil London und ihre Freundinnen viel interessanter sind, doch ihre Mutter konnte sie überreden. Das Glück der Familie scheint perfekt zu sein…bis zu diesem einem grausamen Tag, der alles verändern soll.

Dreißig Jahre später fährt Lorna mit ihrem Verlobten nach einem anstrengenden Tag voller Besichtigungen und Stunden im Auto genau diese Auffahrt nach Black Rabbit Hall hoch, die früher der Spielplatz der Geschwister war. Im Internet stand dieses Gebäude zur Auswahl für ihre Hochzeitslocation. Lorna kann sich auch erinnern, dass ihre mittlerweile verstorbene Mutter sie immer mit nach Cornwall genommen hat. Dieses Haus löst dann auch allein bei seinem Anblick alle möglichen Gefühle in der jungen Frau aus. Es überwiegt die Begeisterung, denn dieses Gebäude ist alles, was sie sich jemals für ihre Hochzeit erträumt hat.

Hin- und hergeworfen zwischen der Gegenwart und dem Jahr 1968/1969 erzählt die Autorin hier die Geschichte eines Anwesens und seiner Bewohner. Dabei liegt der eigentliche Fokus auf den Geschehnisses Ende der 1960er Jahre. Der Leser wird hineingeworfen in dieses perfekte Familienglück, das letztendlich überschattet wird. Und dieser Schatten soll uns das ganze Buch über begleiten.
Wir erleben, wie aus fröhlichen Kindern bedrückte und in sich gekehrte Wesen werden und diesen Eindruck sehen wir dann durch die Beobachtungen und Erforschungen Lornas dreißig Jahre später bestätigt.

Die Geschehnisse, die vor allem Amber und Toby sehr zu schaffen machen, sind ab einem bestimmten Punkt schon ziemlich früh im Buch vorhersehbar. Die Autorin erfindet hier nichts Neues, schreibt eine Familiengeschichte nieder, die keine großen Überraschungen birgt und die es bestimmt in der einen oder anderen Form schon in literarischen Kreisen gibt. Dennoch schafft sie es, den Leser durch die Charakterzeichnungen bei der Stange zu halten. Amber Alton zeigt uns ihre Familie und die Verbindungen, die es gibt, aus ihrer Sicht. So bekommt der Leser einen Blickwinkel geboten, der eine Mischung aus kindlichem Trotz und erwachsenen Beobachtungen darstellt. Amber wird im Jahr 1968 fünfzehn Jahre alt und steht damit an einem Wendepunkt ihres Lebens. Die Beschreibungen sind lebendig, man fühlt sich hineinversetzt in ein Anwesen irgendwo in Cornwall: ein herrschaftliches Anwesen, das langsam aber stetig dem Verfall anheim wird, eine Belegschaft, die sich um alles kümmern muss, die Küste mit dem wilden und unberechenbaren Meer, der angrenzende Wald mit seinen Geheimnissen und vielem mehr. Und das alles belebt durch die Lebendigkeit kleiner Lebewesen, die sich der Ernsthaftigkeit des Lebens nur bedingt bewusst sind. Die Autorin überzeugt hier zwar nicht mit einer besonders originellen Geschichte, dafür aber mit Stimmung, Figuren und Setting.

Dieses Buch ist vor allem eins: bedrückend und ein wenig traurig, ungerecht und gemein. Man merkt, wie sich die Gefühle, die sich immer mehr in Amber einschleichen, auch im eigenen Körper anfangen zu brodeln. Wir lesen hier von einer Familie – nein eigentlich von Geschwistern – und von ihrer Liebe zueinander. Das sie doch, egal was passiert, immer zusammenhalten wollen. Und das sie feststellen müssen, dass das nicht immer ganz so einfach ist. Jeder, der Geschwister hat, weiß, wie sich das anfühlt. Man streitet sich, man hasst sich, aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist die Liebe zueinander verdammt nochmal größer als jedes Hindernis.


3.5/5