Es war einmal ein gelangweilter Todesgott…

Light Turner hat kein leichtes Leben. In der Schule ist er nicht beliebt und zuhause hat er nur seinen Polizisten-Vater, seit seine Mutter getötet wurde. Eines Tages fällt ein schwarzes Notizbuch mit dem Titel „Death Note“ vom Himmel direkt vor Lights Füße. Es ist vollgekritzelt mit Namen und Regeln. Neugierig steckt er es ein. Beim Nachsitzen erscheint ihm dann eine Kreatur. Ryuk, ein Todesgott, der sich gelangweilt hat und deshalb das Buch zufällig jemanden zugesteckt hat, erklärt Light auch gleich anschaulich die erste Regel des Death Notes: Der Mensch, dessen Name in dieses Heft geschrieben wird, stirbt. Daraufhin entwickelt er ein Interesse daran, all das Böse mit diesem Notizbuch aufzuhalten. Behilflich ist ihm dabei Aussenseiterin Mia, die sich schnell bereit erklärt, zu helfen. Zusammen versetzen sie die Unterwelt als „Kira“ in Angst und Schrecken, doch nicht jeder toleriert Selbstjustiz. Und deshalb ist ihnen der weltbeste Ermittler L bereits auf den Fersen…

So viele Bände und so wenig Zeit

Zwischen 2003 und 2006 begeisterte die dreizehn Bände umfassende Manga-Serie „Death Note“ von Tsugumi Ohba und Takeshi Obata weltweit die Leser. Der Machtkampf zwischen Kira und L und ein Notizbuch, das Menschen tötet, zog viele in seinen Bann. Vor allem die verschiedenenen Ebenen, auf denen der Konflikt aufbaut, war damals ein Hauptgrund für den Erfolg der Serie. Nun legt Horrofilm-Experte Adam Wingard Hand an, der schon für die beiden Geheimttipps „V\H\S“ und „You’re Next“ verantwortlich war. Beides keine Intellektuellen Perlen, aber im Bereich Horror definitiv unterhaltend. Für Netflix stand die Umsetzung des Mangas als Fernsehfilm an. Dreizehn Bände in einen Film destillieren. Erst vor kurzem scheiterte „Der dunkle Turm“ grandios an dieser Aufgabe. Doch Wingard zeigt, dass es auch anders geht.

Erstmal ein bisschen eindampfen

Selbstverständlich müssen Kenner einige Abstriche machen. Als erstes wurde die gesamte Handlung von Tokyo nach Seattle verlagert. Aus Light Yagami, wird Light Turner (Nat Wolff), aus Misa Amane wird Mia Sutton (Margaret Qualley) und aus Watari und L … bleiben Watari und L (Lakeith Stanfield). Immerhin. Alle Schauspieler leisten eine gute Arbeit und verkörpern ihren jeweiligen Charakter gut. Die Welt der Totengötter spielt keine Rolle und Ryuk ist der einzige seiner Art im Film, der von Kreaturendarsteller Jason Liles gespielt und von Willem Dafoe hervorragend vertont wird. Außerdem ist die Handlung in sich abgeschlossen und greift den Manga nur grob auf.

Eine Prise eigene Idee

Der Regisseur bemüht sich, die Charakterzüge vom Manga in ihrer Essenz auf den Film zu übertragen. So ist Lights Grundmotiv weiterhin die Bereinigung allen Verbrechens. Mia ist sein Groupie, auch wenn sie hier wesentlich mündiger und selbständiger porträtiert wird, als in der Vorlage. Trotzdem ist es höchstens der Protagonist, der etwas Zeit für seinen Hintergrund bekommt. Durch die Hänseleien in der Schule und den ungesühnten Tot der Mutter bekommt er sogar etwas mehr Tiefe und Glaubwürdigkeit, als am Anfang der Buchreihe. Auch L wird etwas stärker gezeichnet, weicht aber sehr vom Manga ab und wird so von einem berechnenden, kühlen Denker mit Knacks zu einem nervös zappelnden, unruhigen (dennoch intelligenten) Detektiv mit Knacks. Schade, so leidet das Kräftemessen im Film enorm.

Schnell, Schneller, Light-Geschwindigkeit

Doch der Film weiß zu unterhalten, durch seine Abweichungen ist er auch für Kenner spannend. Zusammen mit der Farbgebung und seinen übertriebenen Splatter-Szenen auch für das Horror-Auge ein Genuss. Manche der grafischen Effekte wirken etwas billig, was bei einem Fernsehfilm zu verkraften ist und auch nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Was Fluch und Segen zugleich ist, ist das Tempo der Geschichte. Die Handlung wird schnell vorangetrieben. Ruhige Szenen gibt es kaum. Dadurch bleibt man als Zuschauer bei der Stange, kann aber auch schnell von der Hast genervt sein. Wenn zum Besipiel der schlaue Light keine Sekunde zögert, dem Mädchen, dass er vielleicht einmal getroffen hat, zu erzählen, dass er mit einem Buch Leute umbringen kann. (Jetzt neu: „99 Flirttipps“ von Vorhees und Krüger)

Fasst bis zum Ziel durchgehalten

Bis kurz vor der Klimax kann der Film seine Linie halten. Es ist das Äquivalent eines Pageturners. Nicht unbedingt tief, aber fesselnd. Der Regisseur schafft es, die Geschwindigkeit der Geschichte gut mit der Kamera zu verpacken. Schnitte sind gut gesetzt und so sieht man in kurzen Abständen die Entwicklung der Kunstfigur „Kira“ und wie sie sich auf der ganzen Welt einen Namen macht. Dann verlagert sich der Fokus von Strategie auf Action und der Film verliert ein wenig. Vor allem das Ende hat eine übertrieben lange Verfolgungsequenz, die Fehl am Platz wirkt und wirklich an jeden Punkt auf der Liste für Standard-Actioneinlagen einen Haken macht.

Ein Kleinod im Horrorkosmos

„Death Note“ ist kein überragendes Meisterwerk. Für das Kino wäre er zu klein, aber er will auch kein Kinofilm sein. Als Fernsehfilm im Horrorgenre ist er gut aufgehoben und reiht sich in die Reihe der Wingard’schen Geheimtipps ein, die nie groß Wellen schlagen werden, aber dennoch ihre Nische haben. Er bringt nebenbei die Essenz des Mangas gut ein, auch wenn hier und da Schnitzer sind, die der Länge und dem Medium geschuldet sind. Wer einen schönen Netflixabend haben will, schon gerne Final Destination und ähnliche Streifen gesehen hat und nicht der gläubigste aller Death-Note-Jünger ist, kann den Film ohne Reue sehen.

Rezension von Max, es besteht eine abweichende Meinung bei TheFallingAlice („der Film ist nur mittelmäßig“).


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