Mimikry ist weniger ein Buch als ein Spiel. Oder ein Buch über Menschen, die ein Spiel spielen. Das also nicht nur ein Spiel erklärt mit allem was dazugehört, sondern eine ganze Reihe von gemütlichen Zusammenkünften verschiedener Menschen berichtet, die sich auf Facebook fanden, sich in Gruppen aufteilten, einen wundervollen Abend voller Literatur und Essen verbrachten, bei dem Spiel auch jede Menge Spaß hatten und zu aller Freude der Nachwelt und auch zur Anregung für weitere tolle Abende unter Freunden und Buchliebhaber all das protokollierten.

Doch was ist Mimikry überhaupt für ein Spiel? Mimikry bedeutet soviel wie „Täuschung“. Die Mitspieler (und in diesem Fall auch der geneigte Leser dieses Buches) sollen an der Nase herum geführt werden. Eine falsche Fährte soll gelegt werden, denn die Mitspieler imitieren anhand des ersten Satzes eines beliebigen Buches den Stil und die Geschichte des ursprünglichen Autors. Später dann muss herausgefunden werden, welcher der vorgelesenen (oder abgedruckten) Anfänge der Originale ist. Klingt ziemlich einfach? Ist es aber nicht. Denn die spielenden Personen in diesem Buch machen verdammt nochmal einen richtig guten Job und so ärgert man sich (besonders bei Büchern, die man bereits selbst gelesen hat) so manches mal, wenn man schlussendlich zur Auflösung blättert und wieder einmal einem fremden Autoren auf den Leim gegangen ist.

How to play:
Es findet sich eine Gruppe von etwa sechs Menschen. Es können auch mehr oder weniger sein. Unter diesen wird ein Spielleiter gewählt. Aus etwaigen mitgebrachten oder vorhandenen Bücher wird eines ausgesucht, ohne jedoch den ersten Satz gelesen zu haben. Der Spielleiter zeigt nun das Cover in die Runde, verliest sowohl den Klappentext, als auch einige wahllos aus dem Buch ausgewählten Sätze, damit die Spieler ein Gefühl für den Stil des Autors bekommen. Dann geht es richtig los: Der erste Satz oder der erste Teil eines Satzes wird verlesen und die Mitspieler müssen diesen notieren und aufgrund dessen die nachfolgenden -etwa zehn – Zeilen schreiben. Auf die Lesbarkeit des Geschriebenen ist hier besonders zu achten. Der Spielleiter selbst schreibt die ersten paar Zeilen des Originals auf einen den der Mitspieler identischen Zettel. Dann werden alle Vorschläge eingesammelt, nummeriert und gemischt. Der Spielleiter muss nun flüssig und ohne zu stocken und auch ohne das Gesicht zu verziehen jeden einzelnen Vorschlag vorlesen (deshalb die Lesbarkeit). Danach wird per Handzeichen abgestimmt. Dabei können verschiedene Punkte verteilt werden für denjenigen, der zunächst das Original errät, aber auch für den „Autor“, dessen Text mehrheitlich für das Original gehalten wird (wenn es denn das Original schlägt). In der nächsten Runde wechselt der Spielleiter.

An etwa neunzehn Abenden wurden im Jahr 2015 solche Spiele veranstaltet. Dabei wurden die Treffen protokolliert und niedergeschrieben. Auch die verschiedenen Romananfänge sind immer mit abgedruckt, sodass der Leser selbst die Freude daran hat, auch Teil des Ratens sein zu können. Am Ende werden die Spieler mit Fotos vorgestellt, sodass sie nicht nur gesichtlose Figuren bleiben. Nebenher gibt es auch immer Fotos der einzelnen Abende, sodass nicht nur wörtlich ein Gefühl der Atmosphäre beim Leser entstehen kann, sondern sie in Bildern klar ausgedrückt wird. Denn jeder Abend war anders. Es entstand Kreativität. Es wurden teils nicht nur Romananfänge gespielt, sondern sich auch an Glückskekssprüchen oder Rezepten vergangen. Hauptsache, sie hatten Spaß.

Und Spaß macht nicht nur das Lesen dieses Buches, sondern auch das heimliche – und nur für sich – Mitspielen, die Unsicherheit, die man aufgrund der hervorragend imitierten Texte entsteht und manchmal auch der Frust über eine weitere erfahrende Täuschung.
Das Spiel bleibt nicht nur innerhalb dieses Buches, sondern schreit  danach auch nach außen in die Welt getragen zu werden. Zu jedem der nicht nur gerne liest, sondern auch gerne schreibt und lesen nicht nur immer als ein einsames Hobby genießen will. So schreit es in die Welt hinaus: Spielt!


5/5