„Der goldene Handschuh“ lässt sich nicht trefflicher beschreiben, als es Jürgen Kaube in seiner Rezension zu diesem Buch in der Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits getan hat. Dabei verwendete er ein Wort, das eigentlich schon alles sagt: Trostlos.
Das Buch ist nicht melancholisch oder traurig oder nachdenklich. Es ist weder witzig, schön noch romantisch. Es ist nicht eklig, nicht abstoßend oder brutal. Es ist schlicht und ergreifend trostlos.

Wie die Gestalten dort so sitzen im Goldenen Handschuh. Irgendeine Kneipe am Hamburger Berg nahe der Reeperbahn. Dort sitzt der Abschaum der Gesellschaft. Die, die nicht mehr wissen wohin mit sich und ihrem Leben. Die das Leben gebeutelt hat, die weder Zukunft, Gegenwart oder Vergangenheit haben. Die meisten haben sich dem Suff ergeben. Alkohol ist ihr Lebenselixier. Und ab und zu mal ein guter Fick. Dorthin geht man, um eine andere Existenz als die eigene zu treffen, sie zum Bumsen zu überreden oder sich wütend zu prügeln. Die höchste Auszeichnung, die man in dieser Kneipe erreichen kann, ist ein guter Spitzname. Wenn man den hat, ist man wer. Aber nicht so ein einfacher Name, der nach nichts klingt. Etabliert ist man dort erst, wenn man einen guten Namen bekommt. Wie Soldaten-Norbert. Oder Tampon-Günter. Dorthin geht auch Fritz Honka, genannt Fiete (kein guter, aber wenigstens ein Spitzname).

Der real existierende, aber bereits verstorbene Fritz Honka ermordete zwischen 1970 und 1975 insgesamt 4 Frauen. Seine Taten blieben bis zu einem schicksalshaften Brand unentdeckt, bei dem die Feuerwehr verschiedenen Leichenteile fand.
Heinz Strunk schreibt hier einen Roman über diesen Serienmörder, der lakonischer nicht hätte ausfallen können.
Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist neben Honkas Wohnung der Goldene Handschuh. Fokussiert werden hier die verschiedenen Gestalten, auch wenn sie meist nur angerissen bleiben. Nur bei drei Personen einer Familie macht der Autor eine Ausnahme. Er nennt sie WH 1 bis WH 3, was mitunter manchmal schwierig zu differenzieren bleibt, und webt um sie herum eine Geschichte, deren Fäden alle in die durch die Morde berühmte Kneipe laufen. Warum, ist nicht ganz klar.
Honka ist meistens auch dort und besäuft sich, schwadroniert innerlich über die verschiedenen Arten von Suff, was das Besoffen sein mit ihm macht und was er eigentlich vom Leben noch erwarten kann. Er wäre manchmal lieber wie Bruder Siggi, der immer einen guten Witz auf Lager hat. Statt dessen, muss er nehmen, was er bekommt. Meistens sind es die Alten und Hässlichen, aber im Grunde genommen ist das genau das, was ihn geil macht. Es sind die wehrlosesten Opfer. Die Frauen, um die sich keiner sorgt. Die froh sind, wenn sie ein Dach über dem Kopf haben und was zu saufen. Dafür lassen sie sich regelrecht einsperren und ficken. Sie müssen sogar einen Vertrag unterschreiben.

Honka selbst versinkt in Selbstmitleid. Eine eigene Meinung über sich scheint er nicht zu haben und wenn, dann ist es keine hohe. Manchmal stellt er sich vor, wie es wäre ein normales Leben zu führen. Normale Dinge zu tun. Eine feste Freundin zu haben. Als er sogar einen Job mit Verantwortung bekommt, scheint es bergauf zu geben, doch die Enttäuschungen lassen nicht lange auf sich warten. Enttäuschungen, die er mitunter bewusst oder unbewusst selbst herbeigeführt hat. Und so steigt die Wut in ihm bis sie letztendlich unbezwingbar wird.

Das Bild, das wir beim Lesen betrachten, ist ein grauer Herbsttag. Es scheint immerzu zu regnen. Sonne scheint irgendwie nie und wenn, dann schiebt sich schon bald die nächste graue Wolke davor. Alles ist in schmutzige Farben getaucht, irgendwas mit braun, grau, schwarz. Es ist kalt und nass und es stinkt. Auch wenn wir das nicht riechen können, aber es stinkt gewaltig nach ranzigen Menschen, Schweiß, Urin, Kot, Verwesung, nach gammligen Lebensmitteln, nach Alkohol und Zigarettenrauch. Trostlos eben.


3/5