Nach einem Gottesdienst ist ein Mann mittleren Alters auf dem Weg zum Ort seiner Kindheit. Als er dort eintrifft und die alte Hempstockfarm sieht, erinnert sich der Protagonist an den alten Teich hinter dem Haus, den seine Nachbarin Letti Hempstock immer „Den Ozean“ genannt hat. Genau dort beginnt er sich an die Ereignisse zu erinnern, die er mit sieben Jahren erlebt hat.

In diesem Alter hatte der Erzähler keine Freunde, was er okay fand, denn er hatte ja seine Bücher, die er mit Genuss verschlang. Eines Tages jedoch ziehen nebenan die Hempstocks, bestehend aus Großmutter, Mutter und Tochter, ein und der Protagonist freundet sich prompt mit dem jüngsten Spross Lettie an. Diese will ihm sofort die Farm zeigen und es stellt sich bald heraus, dass sie nicht mehr in der normalen Welt sind. Nach einer unglücklichen Begegnung mit einem der Bewohner dieser anderen fantastischen Welt gelingt es beiden wieder zurückzukehren, doch stellt der Protagonist bald fest, dass er unabsichtlich etwas mitgebracht hat…

Neil Gaiman schafft es wie schon bei Coraline, eine anfangs kinderfreundlich erscheinende Geschichte  mit nicht ganz so harmlosen Elementen zu spicken. Doch auch seine weiteren erzählerischen Talente stechen hier heraus. So fesselt die Geschichte von vorne bis hinten und man könnte sie aufgrund ihrer Länge sogar in einem Rutsch lesen. Der Protagonist bleibt in der Erzählung namenlos, doch diese Tatsache erscheint dem Leser nicht unangenehm und zählt für mich zu den erzählerischen Stärken des Buches. Die Charakterzeichnung des Erzählers ist gelungen. Man kann sich gut in sein siebenjähriges Ich hineinversetzten und sein Einsiedlertum verstehen. Auch die restlichen Charaktere, sind sie zumeist doch nur Randfiguren, sind für die Länge ausreichend beschrieben und bleiben nicht blass. Die Welt, die Gaiman erschafft, spielt zwar nur selten eine Rolle, doch erinnert ihr Auftreten an die Welt in Coraline oder in der Sternenwanderer, deren Grenze zur realen Welt meist nur hauchdünn sind. Und auch, dass Kinder diese Welt betreten ist eine Parallele, die sich nicht abstreiten lässt. Trotzdem kann man Gaiman keine Kreativlosigkeit vorwerfen, denn er schafft es trotzdem, diese Fantasiereiche immer wieder neu zu erfinden. Auch die reale Welt beschreibt Gaiman so nostalgisch, dass selbst ich als Urgroßstädter mir ein lebhaftes Bild von der Umgebung machen kann.

Am Ende ist „Der Ozean am Ende der Straße“ wirklich gelungen und für einen gemütlichen Leseabend geeignet. Ich kann es jedem empfehlen, der schon mit Gaimans anderen Fantasywerken in Berührung gekommen oder auch Fan von Roald Dahls „Kinder“-Geschichten ist. Nur einem Kind würde ich dieses Buch nicht vorlesen.

 

Gastrezension von Max


4.5/5