Jim hätte auf sein Gefühl hören sollen, als er an diesem Tag am Bahnsteig stand und trotz der Umstände, die ihn umgaben, in den Zug einstieg.
Nun findet er sich mit fünf weiteren Gestalten in einem Abteil wieder. Da wäre der Perverse, der seine Vorlieben mit jeder Faser seines Körpers ausstrahlt, oder der andere Irre, der überall am Körper mit Gang-Tattoos verziert ist, geschweige von dem bulligen Kerl, der den Eindruck erweckt, dass man sich besser nicht mit ihm anlegen sollte. Und dann wäre da noch die distanzierte Schönheit, die in einer ganz anderen Liga spielt. Nur die alte Dame neben Jim scheint die einzig Normale zu sein.
Doch der Zug in dem sie sitzen, zeigt sein wahres Ich, kaum dass sie aus dem Bahnhof ausrollten. Er rast dahin auf den Schienen ohne Halt und Ziel. Und je weiter sie fahren, desto mehr wird den Fahrgästen klar, dass es aus dieser Hölle kein Entkommen gibt.

Allein das Setting löst in dem Leser schon ein beklemmendes Gefühl aus. Zumindest unter denen, die frühmorgendlich oder spät abends an einem U-Bahnsteig stehen und die das Gefühl beschleicht, hinter jeder Ecke lauert das Böse und die vereinzelten Menschen, die mit einem warten, warten nur auf die passende Gelegenheit, dir den Garaus zu machen. Auch die Protagonisten dieses Buches finden sich an einem solchen Bahnsteig wieder und werden durch klemmende U-Bahntüren gezwungen, in den selben Waggon zu steigen. Und hier wird das Ganze erst recht beklemmend. Die Lichter erlöschen und völlige Dunkelheit umgibt sie. Niemand traut dem anderen und was dann passiert und die Gruppe von einem Waggon zum nächsten treibt ist grausam, brutal und ziemlich beängstigend.
Das Buch folgt einem klaren Konzept. Der Autor wirft zu Beginn sechs Protagonisten ins Rennen und je Abschnitt reduziert sich die Gruppe um einen Teilnehmer. Doch allzu viel Mitleid braucht man mit den Menschen in diesem Zug nicht zu haben, denn je näher man die Figuren kennen lernt, umso mehr bekommt man das Gefühl, dass sie durchaus verdient haben, was ihnen dort passiert. Oder ist man einfach froh, nicht mit ihnen in diesem verdammten Zug zu sitzen?

Beklemmendes Setting, beklemmende Ereignisse und das Gefühl, dass die Gefahr durchaus nicht nur außerhalb des Zuges lauert, sondern das die Protagonisten selbst vielleicht die größere Gefahr für sich selbst und gegenseitig sind.
Michaelbrent Collings war mir bis hierin ein unbekannter Autor, aber durchaus einer, den man im Auge behalten sollte. Denn er nimmt den Leser mit auf eine U-Bahnfahrt, die man so schnell nicht vergisst.
Und am Ende bleibt der schale Nachgeschmack der eigenen Gedanken, denn: Wer auf dieser Welt ist ohne Sünde?


★★★★/5