Schon die Buchstaben auf dem Umschlag scheinen mit dir zu sprechen.

„Du hättest gehen sollen.“

Was soll das heißen? Meint das Buch etwa mich? Wohin hätte ich gehen sollen und wann? Was ist das überhaupt für ein Titel?
Der Autor ist Daniel Kehlmann und wer mich kennt, weiß, dass ich an keinem seiner Bücher vorbei komme. Es ist noch nicht so lange her, seit ich Die Vermessung der Welt las, doch seitdem steigt er Buch für Buch in meinem persönlichen Ranking der Lieblingsautoren höher und höher.

Diese Geschichte hier ist nur 92 Seiten lang. Eher eine Erzählung oder eine Episode.
Wir betrachten einen Schriftsteller, der irgendwie versucht ein Buch zu schreiben. Um die nötige Ruhe und Kraft dafür zu finden, ist er mit seiner Frau und seiner Tochter zu einem abgelegenen Ferienhaus in den Bergen gefahren. Hier kann er sich Notizen machen, wann immer eine Idee seine Gedanken streift. Doch irgendwie gehört das, was er niederschreibt, weniger zu seinem neuen Roman als eigentlich zu seinem wirklichen Leben. Und je länger wir lesen, desto mehr haben wir das Gefühl, dass das, was er uns sagen will, wirklich dringlich ist.

Irgendwas stimmt nicht.

Wir merken es ziemlich bald. Es scheint das Haus zu sein, von dem eine eigene Bösartigkeit ausgeht. Als besitze es eine Persönlichkeit, die alles daran setzt, seine neuen Bewohner gefangen zu halten. So wenig wie der Schriftsteller weiß, was Wirklichkeit ist, so wenig wissen wir es. Was passiert dort in diesem Haus? Sind dort fremde Mächte am Werk? Oder entspringt das alles der Fantasie des Mannes?

So wird der Leser hin und her geworfen zwischen Realität und Wahnsinn. Das wird mit so eindringlichen Sätzen beschrieben, dass man das Gefühl hat, einen wahrhaftigen Bericht zu lesen. Die Geschichte wird erzählt durch den Erzähler, der zugleich Protagonist ist. Die Ich-Form macht es uns leichter, dem allem Glauben zu schenken und das Gefühl zu haben, dabei zu sein. Irgendwie.

Für diese Erzählung sollte man sich Zeit nehmen. Sie an einem ruhigen Ort  und wie einen Bericht lesen. Trotz der Paranormalität, die aufzutreten scheint, ist sie niemals verwirrend. Der Schriftsteller versucht, immer Struktur in das zu bringen, was er erzählt. Es ist die Geschichte über das Auseinanderbrechen einer Familie, den Halt den man im anderen sucht und nicht findet, die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter und die Geschichte eines Mannes, dessen Welt von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wird.

Eine empfehlenswerte Erzählung.


4/5